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Gerade Vivantes-Krankenhäuser werden in Berlin besonders oft von Rettungswagen angefahren. Derzeit baut die Klinikkette intern einiges um.

© K. Kleist-Heinrich

Vivantes-Kliniken in Berlin: „Wir geraten personell und räumlich an unsere Grenzen“

Andrea Grebe, Vivantes-Chefin in Berlin, spricht im Interview über Betten auf Fluren, volle Rettungsstellen und zu wenig Geld. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) wird sich wohl diesen Dienstag zur Finanzierung äußern.

Frau Grebe, ein Gericht hat Cannabis kürzlich für therapeutische Zwecke zugelassen. Wann haben Sie zuletzt gekifft?

Noch nie! Ich habe Zigaretten geraucht. Das ist aber auch schon 25 Jahre her.

Bei Patientenumfragen schneiden Vivantes-Kliniken oft schlecht ab. Warum?

Da legen Sie den Finger in die Wunde. Wir schauen uns Patientenbefragungen genau an, um die Zufriedenheit zu verbessern. Konfessionelle Kliniken schneiden traditionell besser ab, das dürfte auch mit deren positivem Image zusammenhängen. Wir hingegen haben womöglich noch das Image der alten Bezirkskrankenhäuser. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass wir oft voll ausgelastet sind. In den meisten Kliniken sind dauerhaft 77 Prozent der Betten belegt. Bei Vivantes sind es 90 Prozent. Da müssen Patienten kurz auf dem Flur geparkt werden, um Zimmer fertig zu machen. Patienten bewerten Vivantes vielleicht schlecht, kommen aber zahlreich in unsere Kliniken. Deshalb und weil Berlin noch wächst, brauchen wir 800 Betten mehr.

Vor allem Ihre Rettungsstellen werden überrannt. Geht das auf Dauer gut?

Die Berliner haben ein ungewöhnlich enges Verhältnis zu Rettungsstellen. Statt zum Hausarzt in die Praxis, gehen sie in die Klinik. Es gab mal einen Mann, der sagte offen, er habe seinen Hausarzt gefragt, ob er nach der Arbeitszeit, also ab 17 Uhr einen Termin bekomme. Das hat nicht geklappt. Der Mann ging deshalb in eine Notaufnahme – und beschwerte sich auch noch, dass er dort warten musste. In solchen Fällen sind eigentlich die Praxisärzte gefragt, sie sind für ambulante Patienten zuständig. Wir geraten räumlich und personell an unsere Grenzen.

Alles im Blick. Andrea Grebe, 53, ist Chefin der Vivantes-Geschäftsführung. In den landeseigenen Kliniken wird jeder dritte Berliner Krankenhauspatient versorgt.
Alles im Blick. Andrea Grebe, 53, ist Chefin der Vivantes-Geschäftsführung. In den landeseigenen Kliniken wird jeder dritte Berliner Krankenhauspatient versorgt.

© Thilo Rückeis

In einigen Wartesälen sitzen ganze Familien, weil der Sohn vom Hamster gebissen wurde. Und es gibt Menschen, die dauernd kommen – offenbar aus Einsamkeit.

In Berlin ist es extrem. Aber wir müssen und werden jeden Patienten anschauen, auch wenn er schon zehn Mal da war. Beim elften Mal kann es ein Notfall sein.

Vivantes stellt Spenderorgane zur Verfügung. Ausgerechnet im Deutschen Herzzentrum Berlin soll bei der Vergabe von Organen manipuliert worden sein.

Die eingesetzten Experten, die die Fälle untersuchen, werden zunächst ihre Arbeit machen und Transparenz schaffen. Ein Manipulationsverdacht im Zusammenhang mit Organtransplantationen ist immer erschütternd und hinterlässt in der Bevölkerung einen Vertrauensschaden.

Ein Jahr leiten Sie nun Vivantes. Gleich zu Beginn gab es Ärger: Ihr Ex-Finanzchef soll sich bestochen lassen haben. Kommt da noch mehr?

Was den früheren Finanzvorstand betrifft, gehe ich von persönlicher Verfehlung aus. Nicht von einem Fehler in unserem System. Mir ist Transparenz sehr wichtig. Ohnehin hat Vivantes 15000 Whistleblower. Unsere Mitarbeiter sind aufmerksam – und kämpferisch.

Das haben Sie kürzlich bei den Streiks von Ärzten und Pflegern zu spüren bekommen. Dennoch soll Vivantes aus dem Flächentarif raus – und Wachleute und Reinigungskräfte sollen weniger Geld bekommen?

Wir sprechen mit unseren Betriebsräten und den Gewerkschaften über ein hauseigenes Tarifwerk. Das wird ein langer Prozess. Fakt ist, Vivantes schafft wie viele Krankenhäuser gerade so eine schwarze Null. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es bald ziemlich eng.

Machen Sie 2014 dennoch Plus?

Ich rechne zwar mit fünf Millionen Euro Jahresplus. Das sind aber nur 0,8 Prozent Umsatzrendite. Vereinfacht: Unsere Kosten steigen viel schneller als unsere Einnahmen. Wir haben also viel zu tun.

Der Überblick zählt. Ob in Rettungswagen, Kliniken oder Praxen arbeiten Ärzte oft unter Hochdruck.
Der Überblick zählt. Ob in Rettungswagen, Kliniken oder Praxen arbeiten Ärzte oft unter Hochdruck.

© dpa

Schon jetzt arbeiten 2500 Vivantes-Beschäftigte in Tochterfirmen – nun gründen sie auch die Physiotherapeuten aus. Bringt’s das?

Wir brauchen so schnell wie möglich flexiblere Vergütungsstrukturen. Neue Mitarbeiter können in Tochterfirmen zu niedrigen, branchenüblichen Löhnen eingestellt werden. Wir sparen hier also Geld, während die jetzigen Beschäftigten Bestandsschutz genießen. Ziel ist es aber, alle Berufsgruppen in ein hauseigenes Tarifwerk zu integrieren. Die Tochterfirmen sind also nur eine Etappe.

Einige sagen, der Senat mache Druck, um der Belegschaft zu zeigen, wo es langgeht. Wie stark mischt sich der Senat ein?
Als Vivantes-Geschäftsführerin muss ich selbst verantworten, was wirtschaftlich nötig ist. Dazu bedarf es keiner Anweisungen aus dem Senat.

Schwer zu glauben, dass das Land sich nicht einmischt. Es ist der Eigentümer, wenn auch ein nachlässiger. Viele Vivantes-Bauten sind alt, neue Technik ist nötig. Eigentlich muss das Land diese Investitionen bezahlen. Erwartet wird, dass sich Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) an diesem Dienstag zur Krankenhausfinanzierung äußert. Wann machen Sie der Politik harte Ansagen?

Nicht für alles ist das Land zuständig, reine Instandhaltung tragen wir selbst. Aber es gibt seit Jahren einen Investitionsstau. Dadurch werden die Kosten für die Sanierungen alter Häuser höher. Auf absehbare Zeit fehlen uns 40 Millionen Euro im Jahr zusätzlich vom Land. Wenn das Geld nicht kommt, wird irgendwann die Qualität leiden.

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