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Berlin: Vogelgrippe: Ein Risiko sind die Reisenden

Nach dem Auftreten des Virus in der Türkei wächst in Berlin die Besorgnis Auf den Flughäfen werden Merkzettel über die Krankheit verteilt

, Sandra Dassler und Annette Kögel Das Vogelgrippe-Virus H5N1 ist in der Türkei angekommen – und in Berlin wächst die Verunsicherung. Die Behörden sehen keinen Grund zur Aufregung, wenngleich der Sprecher des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums warnt: „Die Gefahr, dass das gefährliche Virus unbeabsichtigt durch Menschen eingeschleppt wird, die aus der Türkei einreisen, ist wesentlich größer als eine mögliche Verbreitung durch Zugvögel.“ So bleibt das Virus im Kot, der an Schuhen haftet, über längere Zeit vermehrungsfähig. Auch mit der Kleidung kann der Erreger nach Deutschland gelangen. Schließlich gebe es vielfältige wirtschaftliche, touristische und persönliche Beziehungen in die Türkei.

Dagegen stuft man in der Berliner Senatsgesundheitsverwaltung das Risiko, dass das Virus durch den Reise- oder Warenverkehr eingeschleppt werden könnte, eher als gering ein. Die EU habe bereits Importverbote für alle Geflügelprodukte aus den von der Vogelgrippe betroffenen Gebieten verhängt, sagt die Sprecherin der Verwaltung, Regina Kneidung. Dieses Verbot müsse an den EU-Außengrenzen, zum Beispiel zu Griechenland, überwacht werden. Unkontrolliert kommen in Berlin Reisende nur per Flugzeug an – und werden deshalb vom Zoll überwacht.

Die Zahl der Maschinen, die täglich aus der Türkei in Schönefeld und Tegel landen, schwanke zwischen vier und zwölf pro Tag, heißt es bei der Berliner Flughafengesellschaft. Täglich kämen hier im Durchschnitt rund 780 Passagiere aus der Türkei an, sagt Flughafensprecherin Rosemarie Meichsner.

Auf den Airports werden bereits seit September Merkzettel über die Vogelgrippe verteilt: zunächst nur in deutscher, englischer, französischer und russischer Sprache. Seit kurzem gibt es diese Handzettel auch auf Türkisch und auf Chinesisch. Es sei verboten, heißt es darin unter anderem, „Geflügel und andere Vögel, Geflügelfleisch, Eier sowie Federn“ in die Europäische Union einzuführen.

Sind die Zollbeamten unsicher, ob ein Mitbringsel eine Gefahr sein könnte, dann haben sie tierärztlichen Sachverstand in Rufweite. So ist in Tegel tagsüber zwischen 8 und 20 Uhr veterinärmedizinisch geschultes Personal anwesend. Anschließend ist bis 0 Uhr zumindest ein Tierarzt telefonisch erreichbar. Zoll und das für den Airport Tegel zuständige Bezirksamt Reinickendorf berieten gestern, ob weitere Maßnahmen nötig sind, beispielsweise ob Seuchenmatten ausgelegt werden sollten.

Von Geflügelfleisch gehe in Berlin keine Gefahr für Menschen aus, sind die Behörden überzeugt. Berliner müssten keine Bedenken haben, zum Beispiel Geflügelfleischdöner oder Hähnchen bei türkischen Händlern zu kaufen, sagt Sprecherin Regina Kneiding. Denn in durchgegartem Fleisch hätten die Viren keine Überlebenschance. Derweil hat der FDP-Abgeordnete Rainer-Michael Lehmann dem Senat vorgeworfen, das Problem zu verschlafen. Er fordert eine „umfassende Informationspolitik“ und „effektive Präventionsmaßnahmen“.

Erste Umfragen in Reisebüros ergaben noch keine Stornierungen bei Türkeireisen – die betroffene Region rund um den Ort Kiziksa liegt südlich des Marmara-Meeres, 100 Kilometer von Istanbul entfernt. Das in Berlin verkaufte Geflügel kommt fast ausschließlich aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Deutschland, sagt Gerhard Bischoff, einer der beiden führenden Geflügel-Großhändler der Stadt – er beliefert Warenhäuser wie das KaDeWe, den Einzelhandel, türkische Döner-Imbisse. „Die Türkei ist als Nicht-EU-Mitglied wegen der Zölle für den Handel uninteressant.“ Dennoch befürchtet Bischoff jetzt, dass der Absatz wegen der verunsicherten Verbraucher zurückgehen könnte. Zudem hat er Angst davor, dass das Virus tatsächlich nach Deutschland eingeschleppt wird – denn dann müssten auch hier große Bestände getötet werden, Ware würde knapp werden, die Preise erheblich steigen. Im Jahr verzehrt jeder Berliner Gerhard Bischoff zufolge im Schnitt knapp 20 Kilogramm Geflügel.

Die türkischen Verbände wollen nun prüfen, welche Berliner aus der betroffenen Region stammen, „um sie und ihre Verwandten über Risiken zu informieren“, sagte Ayse Demir vom Türkischen Bund in Berlin. Dafür werde man sich auch an die türkischen Medien richten. Zudem soll die Vogelgrippe bei den „3. Türkischen Gesundheitstagen“ erörtert werden; der türkische Medizinerverein werde seinen Sachverstand einbringen.

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