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Berlin: Volles Rohr

Die Berliner Kanalisation läuft bei übermäßigen Regenfällen über – die Baumärkte verkaufen so viel Tauchpumpen wie noch nie

Die Tauchpumpe ist in diesen Tagen vielerorts wichtiger als die Axt im Hause. Nach den massiven Regenfällen surren in unzähligen Kellern und Garagen elektrische Pumpen. Und wer noch keine hat, besorgt sich eine. „Wir verkaufen mehr als sonst“, heißt es in der Gartenabteilung des Bauhaus-Marktes in der Bayreuther Straße in Schöneberg, „täglich drei bis vier“. Zufällig seien die Geräte gerade auch in der Werbung, sagt der Verkäufer. So kostet das billigste Modell 29 Euro, ein besseres dann 40 oder 50 Euro. Regenwasser-de-luxe-Pumpen kostet 279 Euro.

Die Wassermassen, die in dieser Woche vom Himmel stürzten, kann die Kanalisation nicht schlucken. „Das kann kein System der Welt“, sagt Wasserbetriebe-Sprecher Eike Krüger. In der City können die Fluten zumindest noch über die so genannten Notüberläufe in den Landwehrkanal abfließen – was dann jedoch wiederum wegen des mitgespülten Straßendrecks die Fische umbringt. In den Außenbezirken liefen die Regenwasserkanäle schlicht über – in die Keller angrenzender Häuser hinein.

„In vielen unserer Häuser stand Wasser“, sagte Ute Hartmann von einer großen Berliner Hausverwaltung. „Wir rufen den Klempner, und der stellt eine Pumpe auf.“ Manche Mieter hätten am Abend von sich aus die Feuerwehr alarmiert. Bedauerlich sei, sagte die Tauchpumpen-Expertin, dass die Geräte die letzten zwei Zentimeter am Boden nicht schaffen. Dann heißt es feudeln oder den Rest verdunsten lassen. Versicherungen helfen bei überfluteten Kellern nicht. Denn die Gebäudeversicherung des Hauseigentümers trägt nur Leitungswasserschäden. Die Wasserbetriebe treffe jedenfalls keine Schuld, betont Ute Hartmann: „Diesmal war der Regen extrem. Das packt kein Rohr.“

Das hören die Wasserbetriebe gerne, die sich ärgern, dass bestimmte Zeitungen jetzt das Leitungsnetz als zu klein dimensioniert bemängeln. Zur vorigen Jahrhundertwende wurde die Kanalisation in Berlin so ausgelegt: „80 Liter pro Sekunde pro Hektar innerhalb von 20 Minuten“, erklärt Krüger. Umgerechnet auf den Quadratmeter bedeutet das: 9,6 Liter in 20 Minuten schlucken Berliner Rohre. Es fielen aber 48 Liter in 45 Minuten – für die Wasserbetriebe „ein Jahrhundertereignis“. „Es wäre Irrsinn, sich darauf vorzubereiten“, meint Krüger. Denn es müssten riesige Behälter gebaut und riesige Rohre verlegt werden, um das Wasser aufzufangen. Heutige hydrodynamische Kalkulationen (so heißt das Rechnen mit dem Regen) sehen vor, dass eine neu gebaute Mischwasserkanalisation maximal alle zwei Jahre überlaufen darf.

Am Mittwoch fielen im Südwesten der Stadt nach Angaben des Wetterdienstes Meteomedia bis zu 48,7 Liter pro Quadratmeter. Noch ärger war der Montag: In 24 Stunden waren es in Schönefeld 60 Liter und in Tempelhof 55 Liter – so viel wie die Statistik für den gesamten Monat August erwarten lässt. Jörn Hasselmann

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