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Berlin: Vom Tatort direkt ins Gericht

Bei Jugendlichen gilt das beschleunigte Verfahren als besonders probates Mittel. Doch es kommt fast nur für Ersttäter in Betracht

Bei Florian, 15, lief es perfekt. Kaufhausdetektive hatten ihn zum zweiten Mal beim Klauen erwischt. Die Polizei kam, telefonierte kurz mit dem Staatsanwalt, dann ging es auch schon ins Moabiter Kriminalgericht. Mit hochrotem Kopf saß Florian noch am selben Tag auf der Anklagebank. Wurde getadelt. Zu ein paar Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt – und durfte wieder gehen. „95 Prozent der Jugendlichen tauchen auch nie wieder auf“, sagt Oberstaatsanwalt Manfred Schweitzer.

Die Politik begrüßt sie, die Polizei und auch Staatsanwaltschaft, trotzdem bleiben die beschleunigten Verfahren im Kriminalgericht Moabit eher die Ausnahme. Immerhin, die Tendenz ist steigend: Wurden im Jahr 2000 noch 4,3 Prozent aller Erwachsenen-Verfahren beschleunigt beendet, waren es 2002 bereits 5,7 Prozent. Die Möglichkeiten sind damit aber noch nicht erschöpft, sagt Justizsenatorin Karin Schubert (SPD). „Auch zukünftig werden Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz diese positive Entwicklung weiter verstärken.“

Besonders bei den Jugendlichen gelten die schnellen Urteilssprüche als probates Mittel. Auch hier ist die Tendenz steigend. Gab es 2001 noch 2442 vereinfachte Jugendverfahren, waren es 2002 dann 2500. Für sie alle galt: Die Beweislage war eindeutig, die Täter hatten bei der Polizei bereits gestanden, und es drohte auch keine Strafe über einem Jahr. „Unter diesen Voraussetzungen sind die Gerichte in der Lage, den Täter innerhalb kurzer Zeit nach der Tat einer gerechten Strafe zuzuführen“, sagt Justizsenatorin Karin Schubert. Jugendliche Serientäter kämen aber für die vereinfachten Verfahren nicht in Frage.

Insgesamt 2017 Jugendliche sind in Berlin 2001 verurteilt worden. Laut Oberstaatsanwalt Schweitzer bietet das Jugendrecht allerdings noch eine andere Möglichkeit, bei einem Ersttäter die Strafe auf dem Fuß folgen zu lassen: die Diversion. Auch hierfür kommen nur kleinere Delikte in Betracht, Diebstahl, Beleidigung, eine Schlägerei. Stimmt der Staatsanwalt zu, wird der Jugendliche zum „Diversions-Mittler“, in der Regel einem Sozialarbeiter, geschickt. Der nimmt den Missetäter ins Gebet, kümmert sich eventuell um einen Täter-Opfer-Ausgleich oder schickt ihn zum Aufräumen in den Jugendclub. Spielt der Jugendliche nicht mit, landet die Akte wieder beim Staatsanwalt. Schweitzer: „Dann gibt es ein ganz normales Verfahren mit Anklage.“

Es wirkt, jedenfalls meistens. Nur die jugendlichen Serientäter lassen sich von so etwas nicht beeindrucken. Schweitzer: „Da müssen wir den Druck erhöhen.“ Deshalb will die Staatsanwaltschaft, wie berichtet, eine Spezialabteilung einrichten. Zukünftig soll ein Serientäter stets zum selben Staatsanwalt kommen, der den Jugendlichen von der ersten Straftat an begleitet. Egal, ob es sich um Diebstahl, Fahren ohne Führerschein oder Körperverletzung handelt.

Bei den Erwachsenen erwischt es im Schnellgericht vor allem die Ladendiebe, die Schwarzfahrer, Trinker und Schläger. Insgesamt 1127 erwachsene Delinquenten wurden im Jahr 2001 direkt vom Tatort zum Gericht geschafft (im so genannten besonders beschleunigten Verfahren). 2563 Täter bekamen einen Termin nur wenige Wochen später im Berliner Schnellgericht und damit ihre Strafe, wie man so sagt, auf dem Fuß (beschleunigtes Verfahren).

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