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Berlin: Vom Warten und Hoffen im Advent

Zu Gast beim Singegottesdienst in der Offenbarungskirche

„Wenn ich den Singegottesdienst vorbereite, fängt für mich Advent an“, sagt Kantorin Heidegard Moll. Sie begleitet die elf Chorsängerinnen und -sänger auf dem E-Piano, spielt die 5. Blockflöte und streift zwischendrin die Schuhe ab, um die Orgelpedale zu treten. „Mit Schuhen kann ich das nicht, das ist meine persönliche Macke.“ Von „Macht hoch die Tür“ bis „Wie soll ich dich empfangen“ kreisen alle Lieder des Singegottesdienstes in der Simplonstraße um das Adventsmotto „Machet die Tore weit“. Auch wenn den Sängern gelegentlich ein Ton danebengeht, ist die Kombination Chor und Flöten im Erzeugen kindheitsseliger Vorweihnachtsstimmung ungeschlagen.

Ein Zelt soll die Friedrichshainer Offenbarungskirche sein, eine Schutzhütte in der Wüste. Bauhaus-Architekt Otto Bartning hat die Notkirche 1949 mit Holz und Trümmersteinen als einfachen, roh verputzten Raum gestaltet. Die frisch restaurierte Decke besteht aus hölzernen Spitzbögen und dank der gekonnten Lichtsetzung fühlt man sich wie in einer warmen Jurte. Besonders an einem trüben Tag, wenn sich draußen im Nieselregen das Schindeldach mit dem Grau sanierungsbedürftiger Fassaden verbindet.

Vor vielen jungen Friedrichshainer Familien mit Kindern predigt Pfarrer Manfred Arend über Christen, wie Johannes den Täufer oder Dietrich Bonhoeffer, die wegen ihres Glaubens im Gefängnis saßen, und schlägt von ihnen einen Bogen zur Adventszeit. Bonhoeffer vergleicht 1943 die Gefängniszelle mit dem Warten und Hoffen auf die sich öffnende Tür im Advent. Mit seiner Ankunft will der barmherzige Christus jeden aus seinem privaten Gefängnis der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit befreien. Diese gute Nachricht trägt bis hinaus in den tristen Stadtraum an der Revaler Straße. Da hat einer in weißer Farbe alle paar Meter die Worte „es wird wieder“ auf das feuchte Pflaster gesprüht.

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