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Gehen oder stehen. Das Ampelmännchen soll ab November an einigen Anlagen vor dem Umschalten blinken. So soll dem Fußgänger gezeigt werden, dass der Farbwechsel bevor steht.

© Thilo Rückeis, Tagesspiegel

Fußgänger in Berlin: Von der Ampel ausgebremst

Der Umweltverband BUND kritisiert: Zu viele Ampelanlagen in Berlin haben fußgängerfeindliche Schaltungen. Die Kritikliste reicht von zu kurzen Grünphasen bis zu langen Wartezeiten auf schmalen Mittelinseln. Aber auch die Lösungsansätze des Senats stoßen auf Kritik.

Fußgänger haben es immer noch schwer. Im vergangenen Jahr stellte der Senat zwar eine Fußverkehrsstrategie vor, die das Gehen in der Stadt bequemer und sicherer machen soll – doch vor allem an Ampeln wird dieser Vorsatz ausgebremst.

Kurze Grünphasen, Wartezeiten bis zu vier Minuten und vor allem die Gefährdung durch linksabbiegende Autos bei gleichzeitigem Grün der Fußgänger gehörten immer noch zum Alltag, kritisierte am Dienstag Martin Schlegel vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Verband hatte dazu aufgerufen, ihm besonders fußgängerfeindliche Ampelanlagen zu melden.

Besonders negativ fiel nach Schlegels Angaben die Kreuzung Frankfurter Allee/Jungstraße/Voigtstraße in Friedrichshain auf. Zwei Minuten müsse der Fußgänger hier auf sein Grün warten; wer spurten kann, schaffe es über die Mittelinsel hinweg; wer langsamer sei, dürfe dort nochmals zwei Minuten auf das Überqueren der Gegenfahrbahn warten.

Mehrere Minuten kann auch das Überqueren der Uferstraßen am Landwehrkanal an der Potsdamer Straße in Tiergarten dauern. Wer es auf der östlichen Seite der Kreuzung versucht, muss hintereinander – wegen der Abbiegespuren für den Autoverkehr – vier Ampelanlagen passieren und vor fast jeder erneut warten.

Und wer bei Grün losmarschieren will, braucht manchmal fast eine so schnelle Reaktionszeit wie ein 100-Meter-Sprinter. Die Ampeln an der Bernauer Straße/Brunnenstraße zeigen nach BUND-Angaben gerade drei Sekunden Grün. Zwei mehr sind es nach Angaben der Senatsverkehrsverwaltung.

Häufig seien Fußgängerampeln an Straßen mit Mittelinseln so geschaltet, dass es nicht möglich sei, breitere Fahrbahnen in einer Phase zu überqueren. Stattdessen müsse man eine Pause auf dem Mittelstreifen einlegen, kritisiert der BUND weiter. Besonders oft sei hier die Kreuzung Mehringdamm/Gneisenausstraße in Kreuzberg genannt worden.

Bildergalerie: Die gefährlichsten Stellen für Fußgänger in Berlin

Problematisch werde es, wenn der Mittelstreifen an Ausgängen der U-Bahn liege und besonders schmal sei. Beispiele gibt es hier unter anderem an gleich mehreren Stationen der U6 an der Friedrichstraße in Mitte, aber auch beim Bahnhof Rathaus Neukölln der U 7. Dort müssten sich aussteigende Fahrgäste den wenigen Platz auf der Mittelinsel auch noch mit Fußgängern teilen, die nur die Straße überqueren wollten, bemängelte Schlegel. Hier müssten die Mittelinseln zu Lasten der Fahrbahnen verbreitert werden, forderte der BUND-Verkehrsreferent.

Geld hierfür auszugeben, sei sinnvoller als es in drei Modellprojekte bei Ampeln zu stecken, argumentierte Schlegel. Das in der Fußverkehrsstrategie vorgesehene Rot- oder Grünblinken vor dem Umschalten bringe dem Fußgänger keine Vorteile, ist Schlegel überzeugt.

Auch die „Countdown-Ampel“, bei dem die verbleibende Grünzeit für Fußgänger angezeigt wird, erhöhe weder die Sicherheit noch verkürze sich dadurch die Wartezeit. Zudem sei sie unverträglich mit Vorrangschaltungen für Busse und Straßenbahnen, die der BUND ebenfalls unterstützt.

Die Verkehrsverwaltung glaubt dagegen nach Angaben ihrer Sprecherin Petra Rohland, dass das Blinken das Sicherheitsgefühl verbessere. Die ersten Blinkampeln sollen im November kommen – unter anderem an der Kreuzung Lietzenburger/Joachimstaler Straße. Berlin lege ohnehin die Richtlinien für Ampelschaltungen großzügig für Fußgänger aus. Das Umschalten auf Rot erfolge rechnerisch nach zwei Dritteln des zurückgelegten Weges; gefordert sei nur, dass die Hälfte geschafft sei, sagte Rohland. Recht gab sie dem BUND bei dessen Kritik, dass es in der Stadt immer noch zu wenig verkehrsabhängige Ampelschaltungen gebe.

Doch auch moderne Anlagen finden nicht immer Gefallen. Die Rund-um-Grün-Ampel an der Friedrichstraße/Kochstraße, bei der Fußgänger überall Grün und der übrige Verkehr überall Rot haben, führe zu langen Wartezeiten für Alle, begründete Schlegel die Skepsis hier.

Für ein weiteres Grundproblem sieht Schlegel nur eine Lösung: mehr Polizei zur Kontrolle. Immer häufiger werden Fußgänger, die die Straße bei Grün betreten haben, von rechtsabbiegenden Autofahrern bedrängt, wenn die Fußgängerampel auf Rot umgeschaltet hat. Die Rotphase gilt zwar als „Räumzeit“ für das Überqueren der Fahrbahn, wird von Autofahrern aber zunehmend so ausgelegt, als sei der Fußgänger bei Rot losgegangen. Ein Paradebeispiel ist hier die Kreuzung Kurfürstendamm/Joachimstaler Straße.

Manchmal sei es aber unvermeidbar, dass auch Fußgänger warten müssten, sagte Schlegel. Es sei sinnvoller, einer vollbesetzten Straßenbahn Vorrang zu geben und nicht zwei Passanten an einem ampelgesicherten Übergang. Und sogar die Grüne Welle für Autofahrer sei gerechtfertigt, wenn sie vor allem in engen Straßen zur Luftreinhaltung beitragen könne.

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