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Berlin: Von der Stütze zur Stelle

Von Ulrike Heitmüller Tempelhof-Schöneberg. Mohammed Kalal*, Anfang 20, sitzt da, Ellenbogen auf dem Tisch, Kopf in der Hand, Finger vor dem Mund, die wenigen Worte kaum zu verstehen.

Von Ulrike Heitmüller

Tempelhof-Schöneberg. Mohammed Kalal*, Anfang 20, sitzt da, Ellenbogen auf dem Tisch, Kopf in der Hand, Finger vor dem Mund, die wenigen Worte kaum zu verstehen. Er blickt zu Boden. Seit etwa einem Jahr lebt er von Sozialhilfe, und der längste Job, den er je ausgeübt hat, war eine einjährige ABM-Maßnahme. Jetzt wird er in dem Schöneberger Büro der Arbeitsvermittlungsfirma Maatwerk von Projektmanagerin Marianne Ludwig auf ein Vorstellungsgespräch vorbereitet. Nach dem Gespräch wird sie urteilen: „Das ist ein guter Kunde, er zählt hier als sehr gut vermittelbar.“

Das Unternehmen Maatwerk mit Hauptsitz in den Niederlanden hat sich darauf spezialisiert, Sozialhilfeempfängern Arbeit zu vermitteln. In sechs Ländern hat es Niederlassungen. In Deutschland wurden nach Angaben des Unternehmens in 43 Projekten bislang 10 000 Menschen vermittelt. In Tempelhof-Schöneberg, in dem insgesamt 24 000 Menschen Leistungen vom Sozialamt erhalten, fanden etwa 140 Sozialhilfeempfänger mit Hilfe von Maatwerk wieder Arbeit. Maatwerk arbeitet in Deutschland vor allem im Auftrag von Städten und Kreisen. Dies rechnet sich aus kommunaler Sicht: In Schöneberg zum Beispiel erhält der durchschnittliche Sozialhilfeempfänger monatlich etwa 500 Euro vom Amt. Überdies: Selbst, wenn es mit der Vermittlung nicht klappt, spart das Sozialamt, sagt die Fachbereichsleiterin der Abteilung „Hilfe zur Arbeit“ im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, Ingrid Wagener: Etwa die Hälfte der Sozialhilfeempfänger wolle gar keinen Arbeitsplatz, schätzt sie, und das werde sanktioniert. „Wer einen Termin mit Maatwerk verweigerte, bekam 150 Mark im Monat weniger an Sozialhilfe.“ In Schöneberg habe man es mit dem so genannten „harten Kern“ der Sozialhilfeempfänger zu tun, erzählt die Maatwerk-Projektmanagerin, „93 Prozent der von uns Vermittelten waren ein Jahr oder länger arbeitslos, und so jemand gilt beim Arbeitsamt als ,schwer vermittelbar’, zehn Prozent haben sogar noch nie gearbeitet. Mehr als die Hälfte sind Ausländer, ein Viertel hat Sprachprobleme.“ Bei dieser Klientel reicht es nicht, die Kandidaten auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten. Marianne Ludwig hat zuerst mit Mohammed Kalal gesprochen, um herauszufinden, welche Stärken und Schwächen, Kenntnisse und Fähigkeiten er hat – wie sein persönlicher Hintergrund ist. Welche von den Jobs, die er schon einmal ausgeübt hat, kämen wieder in Frage? Sicherheitsdienst zum Beispiel? Nein, denn von den branchenüblichen vier bis fünf Euro Stundenlohn (brutto) könnte er seine Familie nicht ernähren. Also sucht Marianne Ludwig jetzt etwas anderes.

Sie sucht für ihn: Das ist die Besonderheit. Die Maatwerk-Mitarbeiter suchen einen Arbeitsplatz, der zum Kandidaten passt, und sprechen in dem Unternehmen die Verantwortlichen an. Denn die meisten Sozialhilfeempfänger hätten mit einer Bewerbung auf eine Anzeige keine Chance. Entweder gibt es zu viele andere Bewerber, die besser qualifiziert sind, oder sie haben einen Lebenslauf, der jeden Arbeitgeber abschreckt. Viele verhalten sich aber auch ungeschickt. Wie Herr Kalal, der es kaum einmal fertig bringt, seinem Gegenüber in die Augen zu schauen.

Wie viele Arbeitgeber sie pro Kunden ansprechen müsse, hänge ganz von der Branche ab, sagt Frau Ludwig: „Im Pflegebereich etwa 10 Arbeitgeber, in der IT-Branche dagegen um die 100.“ Für Herrn Kalal hat Frau Ludwig möglicherweise eine freie Stelle in einem Krankenhaus gefunden. In ein paar Tagen soll das Vorstellungsgespräch stattfinden. Darauf bereitet sie ihn jetzt vor. Sie spricht langsam und deutlich, und plötzlich blitzen sie aufmerksame Augen aus dem eben noch phlegmatischen Gesicht an. Kalal überlegt sich bereitwillig, wie er sich beim Vorstellungsgespräch verhalten wird. Frau Ludwig wird dabei sein. Und wenn Mohammed Kalal den Praktikumsplatz bekommt und übernommen wird, dann wird er auch weiter mit Maatwerk zu tun haben. „Wenn der Kunde eingestellt wird“, sagt Frau Ludwig, „dann machen wir mindestens ein halbes Jahr die Nachbetreuung, wir stehen als Ansprechpartner für Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Verfügung.“

Dabei kann auch mal ein Familienmitglied einspringen: Nach Mohammed Kalal betritt Angelika Buhurco den Raum. Ihr Mann hat mit der Unterstützung von Maatwerk einen Job bekommen. Jetzt erhielt er Post vom Arbeitsamt, doch kann nicht darauf antworten, weil sein Deutsch nicht ausreicht. Auch Frau Buhurco kann nicht gut genug lesen. Darum lässt sie sich helfen. Für Frau Ludwig ist das ein Leichtes – und ein Erfolgserlebnis obendrein, denn der Arbeitgeber ist zufrieden mit Herrn Buhurco. Dessen Job ist damit sicher.

* von der Redaktion geändert

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