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Berlin: Von der Tafel an die Tafel

Viele Eltern zahlen ihren Kindern kein Schulessen. Früher gab es zeitweise Zuschüsse. Ein Pro und Contra

Einige Rektoren drohen bereits mit dem Jugendamt, andere reden mit Engelszungen auf die Eltern ein – doch bisher hat beides wenig genutzt: Mehr als 40 Prozent der Kinder in Berlins Ganztags-Grundschulen bekommen mittags keine warme Mahlzeit. Wie berichtet, sind vielen Eltern offenbar die monatlichen Kosten der Schulspeisung von rund 40 Euro pro Kind zu hoch. Das betrifft vor allem die Schüler aus sozialen Brennpunkten. Beim Schulsenator und in den Bezirken wird deshalb erwogen, bedürftigen Familien je nach Einkommen einen Zuschuss zu zahlen oder die Kosten ganz zu ersetzen.

Diese Überlegung hat Tradition, denn schon seit den Nachkriegsjahren war die Schulspeisung zumindest in West-Berlin mal gratis, mal bezuschusst, oder sie wurde voll in Rechnung gestellt. Das hing vom Schultyp ab, vom Einzugsgebiet, von den wechselnden politischen Mehrheiten – aber vor allem von den unterschiedlichen Erfahrungen mit den einzelnen Modellen. Nur die ärmsten Bedürftigen löffelten immer brav ihre Suppe aus, ansonsten ergab beispielsweise eine Umfrage in den sechziger Jahren, dass in etlichen Familien mit berufstätigen Eltern üblicherweise abends gekocht wurde und man den Kindern deshalb lieber eine Stullenbüchse mitgab.

Es hing also gar nicht in erster Linie vom Geld ab, ob der Nachwuchs schon in der Schule etwas Warmes bekam. Und recht häufig ging es dabei auch um die Qualität des Essens und das Drumherum, wie die Schöneberger Schulbehörden 1966 angesichts der schon damals zurückgehenden Nachfrage feststellten. „Gepflegte Essräume“ seien nötig, hieß es. Und „lecker zubereitete Mahlzeiten (kein Eintopf!)“. Man müsse wegkommen „vom Einheitsbrei der Nachkriegszeit“, nur so lasse sich die Schulspeisung „in neuer Form beleben.“

Der Einheitsbrei war allerdings in den ersten Friedensjahren hochbeliebt. Mehr als 325 000 kleine Berliner erhielten damals mit Hilfe der Alliierten eine tägliche Schulsuppe. Mädchen und Jungen löffelten sie in den Fluren aus Blechnäpfen. „Einige nehmen die Suppe sogar sorgsam mit nach Hause“, schrieb der Tagesspiegel im September 1947, „damit Mutti auch mal kosten kann.“ Und selbst notorische Schulschwänzer kamen verlässlich zum Unterricht, besonders freitags, weil es dann als Belohnung für die Mühen der Woche Schokotäfelchen und Kekssuppe gab.

Doch schon Anfang der 50er Jahre war der erste Nachkriegshunger offenbar gestillt. Die Zeitungen berichteten über „ausgeschüttetes Essen auf den Straßen“, was die Amerikaner nicht gerade ermutigte. Sie stellten ihre Hilfe ein – es begann die Diskussion ums wechselnde Interesse an der Schulspeisung und um die Zuschüsse.

So hart wie in der aktuellen Debatte griffen die Schulleiter allerdings noch nie ein. Wie berichtet, verweigerte ein Rektor sogar die Schulaufnahme, falls die Eltern ihre Kinder nicht zum Essen schicken. Etliche Betroffene finden das ungerecht und verweisen auf die Horte der Halbtags-Grundschulen: Dort werden schon heute bis zu 50 Prozent der Essenskosten ersetzt.

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