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Berlin: Von Kuba aus ins Kokain-Geschäft - Hauptangeklagter gesteht

Mario W. war schon im Begriff sich zu erheben, da funkte wieder einmal ein Anwalt dazwischen.

Mario W. war schon im Begriff sich zu erheben, da funkte wieder einmal ein Anwalt dazwischen. "Herr Vorsitzender", klagte einer der Verteidiger, "unsere Arbeitsfläche ist nicht ausreichend." W., der fast 37-Jährige Hauptangeklagte im Berliner Kokainprozess, hatte gerade mit seiner Aussage beginnen wollen: Einem Vortrag darüber, wie in Ost-Berlin und Brandenburg ein Kreis von schlagkräftigen jungen Männern entstehen konnte, der über mehrere Jahre kiloweise Kokain aus Venezuela importierte und auf dem Berliner Markt verkaufte. Sieben Männer und eine Frau stehen seit einer Woche vor Gericht. In einem Prozess, der von den Stränden von Caracas genauso handelt wie von Brandenburger Tattoostudios und Berliner Nachtklubs. Gestern fand der zweite Verhandlungstag statt.

Ja, gab Mario W. zu, nachdem der Richter mit den Platz- und anderen Problemen der Verteidigung fertig war, ja, er habe mit Drogen gehandelt. "Ich bin verantwortlich für den Schmuggel und Verkauf von etwa 25 Kilogramm Kokain und versuchten Schmuggel und Verkauf von etwa zehn weiteren Kilogramm." Der gelernte Maurer, der nach der Wende im Türsteher- und Hooliganmilieu verkehrte, liest mit unsicherer Stimme seine handschriftlich vorbereitet Aussage ab. Laut W. begann alles 1996. Damals war der muskulöse Mann mit den langen Haaren, den sie draußen auch den "Zopf" nennen, in Kuba, um "Personal" für Ost-Berliner Nachtklubs zu aquirieren - welches Personal auch immer. In Kuba habe er alte Freunde getroffen, die gerade von einem gemeinsamen Bekannten namens Rocco S. kamen. Rocco S., der aus Brandenburg stammt und von der Polizei einer hartgesottenen Türstehergruppe, den "Rahnsdorfern", zugerechnet wird, hatte sich Mitte der 90er nach Venezuela abgesetzt und war dort in das Kokain-Geschäft eingestiegen.

Die gemeinsamen Freunde überredeten Mario W., mit nach Venezuela zu fliegen. "In diesen Tagen wurde kräftig Wiedersehen gefeiert und Kokain gezogen", erinnerte sich W. gestern. Dies sei der Moment gewesen, in dem er beschloss, in den Do-it-yourself-Drogenhandel einzusteigen.

Mario W. hat sich entschieden, umfassend auszusagen. Er berichtet von seinen fünf gefälschten Pässen (drei deutsche, etwa 5 000 Mark das Stück, zwei griechische, deutlich teurer) und von den Preisen für Koks (Einkauf zwischen 7000 und 11 000 Dollar in Venezuela, Wiederverkaufswert in Berlin zwischen 42 000 und 45 000 Mark). In Venezuela übernahm W. den Stoff in Buchform gepresst, verteilte ihn in Plastiktüten und band sie den Kurieren an den Körper. Fast ein halbes Dutzend Kuriere aus dem Umfeld von Mario W. und dem Mitangeklagten Jan E. gingen der Polizei in zwei Jahren so ins Netz. Manchmal konnte Jan E., ein psychisch angeschlagener 24-Jähriger, der den Stoff von W. bezog, nicht zahlen. Dann lieferte W. Kokain auf Kommission. Über die Kuriere kamen die Ermittler schließlich auch auf W.

Mario W., der Kampfsportler und Fußballfan, hatte ursprünglich zwei Brüder. Einen davon prügelte der Vater schon als kleines Kind zu Tode. Der andere, Frank W., half ihm schließlich, als der Drogenschmuggel zu riskant wurde, bei einem groß angelegten Kreditbetrug, Umfang 5,6 Millionen Mark. Frank W. sitzt ebenfalls auf der Angeklagebank, genauso, wie Marios Ex-Freundin Monique M. und ein Polizist, der ihm Einblick in die Fahndungsdaten ermöglicht haben soll. Alle acht Angeklagten kündigten gestern an, im Prozessverlauf auszusagen.

Holger Stark

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