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Berlin: Von Mensch zu Mensch

Mit so gut wie jedem SPD-Kandidaten ist er mal unterwegs: Der „Regierende“ macht Wahlkampf – ganz subtil

Von Brigitte Grunert

Es ist Sonntag, die Sonne lacht, Klaus Wowereit schlendert entspannt durch den Zoo, aber kaum einer nimmt Notiz vom Regierenden Bürgermeister. Die SPD-Wahlkreiskandidatin Petra Merkel (Charlottenburg-Wilmersdorf) hat Bürger zu einer Führung mit Zoo-Direktor Lange eingeladen; 21 sind gekommen. Lange erzählt Spannendes aus der Welt der großen und kleinen Tiere. Die hohen Tiere interessieren nicht, kein Wort von Wahlkampf. Macht nichts, die Leute, die ihn hier sehen, sind „Multiplikatoren“, sagt sich Wowereit. Einige wenige wollen sich unbedingt mit ihm fotografieren lassen. Er tut ihnen den Gefallen. So subtil kann Wahlkampf sein. Er ist kein Mann der starken Reden. Er plaudert gern von Mensch zu Mensch.

Mit so gut wie jedem Wahlkreiskandidaten ist er mindestens einmal unterwegs. Im heimatlichen Lichtenrade tanzt er mit der Weinprinzessin Polka, in der Wuhlheide steigt er auf die Bühne und gibt den Ansager eines Sängeridols; 17000 Kids kreischen. Und beim Sommermarkt der SPD in Zehlendorf-Mitte fühlt er sich zwei Sonnabende vor der Wahl erst recht wohl im Gewühl. Die Leute wollen Autogramme, mehrfach zieht der Wowereitsche Sicherheitsbeamte Nachschubkarten aus der Westentasche. Da ist auch der Wahlkreiskandidat Klaus Uwe Benneter glücklich über den Zulauf, der gerade hier für die SPD nicht selbstverständlich ist.

Wahlkampf macht Spaß und ist lehrreich, wie Wowereit findet. Er hat diese feinen Antennen für die Stimmung, und die macht ihn hoffnungsfroh, obwohl „es schwer ist“. Natürlich wird er ständig auf Arbeitslosigkeit, Geldmisere und Bildungspolitik angesprochen. Einer im Zoo will offenbar Wowereits Bildungsstand mit der Frage testen, was er bei Mahlers 5.Symphonie gedacht habe, mit der Simon Rattle seinen Einstand gegeben hat. „Jedenfalls hatte ich keine Todesgedanken, wie sie Mahler am Anfang zum Ausdruck bringt“, sagt Wowereit lachend.

Wenn er wollte, könnte er jeden Tag von morgens bis abends auf Wahlkampftour sein. Das will er aber nicht: „Man hat ja noch Pflichten als Regierender Bürgermeister.“ Trotzdem ist er bundesweit zwischen Rostock und München, Oldenburg und Dresden auf Tour – in Maßen. Er nimmt es, wie es kommt, die Promi-Einsätze bestimmt die Wahlkampf-Zentrale. Überall in Berlin und anderswo tritt er mit seiner Standardrede auf. Er spricht über Tolerenz , Weltoffenheit, Internationalität, Modernisierung und sozialen Zusammenhalt, immer an den Beispielen der Gesetze über Zuwanderung und gleichgeschlechtliche Partnerschaften und an den Hartz-Empfehlungen entlang. Das passt zu seiner Rolle als Berliner Stadtoberhaupt, soll den Unterschied zur CDU/CSU klar machen.

Richtig kämpferisch kann er bei seiner Standardrede werden, die glatte Stirn in Furchen legen und mit Appellen loslegen wie bei der SPD-Auftaktkundgebung auf dem Gendarmenmarkt. „Ein schwuler Regierender Bürgermeister allein“ bedeute noch keine tolerante Gesellschaft – diesen lässt er von Berlin bis München öfter los. Auf dem Gendarmenmarkt lächelte der Kanzler betont nachsichtig. Wowereitsche Koketterie ist nicht jedermanns Sache.

Im Straßenwahlkampf fasst er sich kurz. Unbeholfenheit fällt den Bravo-Rufern nicht auf, wenn er etwa beim SPD-Markt in Zehlendorf erklärt: „Und natürlich muss sich auch die Wirtschaft verbessern, das ist doch klar. “ Hauptsache herzlich. Auf die anderen Parteien geht Wowereit nie direkt ein, schon gar nicht auf die PDS. Aber ihm fällt auf, dass Rot-Rot in Berlin kein aufregendes Thema mehr ist: „Selbst die Union hat gemerkt, dass sie damit nicht mehr punkten kann.“ Höchstens einen Scherz erlaubt sich Wowereit: „Seit Edmund Stoiber auf Rügen war, ist der Kreidefelsen weg. Er hat ihn aufgefressen.“

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