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Berlin: Von Sinnen

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Die Macher sind in der Politik schon lange unterwegs. Seit einiger Zeit begegnen wir auch den Sinnmachern immer öfter. „Es macht Sinn, für die Fortsetzung einer so erfolgreichen Koalition einzutreten“, antwortete Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) im Interview des Tagesspiegels auf die Frage, ob er seiner Partei empfehle, mit einer Koalitionsaussage zu Gunsten der SPD in den Berliner Wahlkampf 2006 zu ziehen. Andererseits meinte Wolf: „Es hat keinen Sinn, jetzt schon mögliche Konstellationen für 2006 zu diskutieren.“ So viel zur Frage nach einem Dreierbündnis von SPD, PDS und Grünen, falls es für RotRot nicht reichen sollte.

Ob eine Überlegung Sinn hat oder Sinn macht, ist Harald Wolf offensichtlich einerlei. Damit steht er nicht allein. Vielen ist der feine Unterschied zwischen korrektem und schlechtem Deutsch nicht mehr bewusst. Macht nichts, es fällt nicht weiter auf. Früher sprach man klare Sätze wie diese: Ich halte es für sinnvoll. Ich sehe keinen Sinn darin. Es ist sinnlos. Es hat keinen Sinn. Heute erzählen uns Politiker und Journalisten, was Sinn macht oder keinen oder, schlimmer noch, nicht wirklich Sinn macht. Man hört es in politischen Reden, man hört es in Rundfunk und Fernsehen, man liest es in der Zeitung. Mit Hilfe dieser Floskel kann man wunderbar verbergen, dass man sich seiner Sache überhaupt nicht sicher ist.

Nun hat der Sinn mit Geist, Verstand und Wahrnehmung zu tun. Er ist etwas Abstraktes. Deshalb passt dieses Substantiv nicht zum Verb machen, das eine Aktivität ausdrückt. Machen bedeutet tun, herstellen, bewirken. Man macht seine Arbeit und anschließend Feierabend. Nach überstandener Gefahr macht man drei Kreuze. Man macht alles Mögliche, aber man macht sich oft nicht die Mühe, das treffende Wort zu suchen. Na schön, man macht auch mal Blödsinn. Politiker denken sich etwas dabei, wenn sie Gesetze machen und erläutern uns das. Nur übernehmen sie sich, wenn sie auch noch den Sinn der Sache machen wollen. Der Sinn lässt sich nicht herstellen wie ein Fabrikat. Man kann ihn nur suchen, erkennen, verstehen. Trotzdem lässt sich das Heer der Sinnmacher nicht aufhalten. Das macht einen direkt tiefsinnig.

Wie ich gelesen habe, ist die unsinnige Sinnmacherei eine Ausgeburt des Denglischen. That makes sense. Das ergibt einen Sinn. Schludrig aus dem Englischen übersetzt: Das macht Sinn. Aber welchen Sinn hat es, sinnwidrige Übersetzungen für gutes Deutsch auszugeben?

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