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Von Tag zu Tag: Aktenschieber

Stephan Wiehler möchte, dass es im Strafgericht fairer zugeht

Niemand wird sich ernstlich wieder kurze Prozesse wie zu Kaisers Zeiten wünschen am Kriminalgericht im Moabit. Dass es im größten Strafgericht Europas vielfach zugeht wie vor 100 Jahren, steht in auffälligem Widerspruch zur steten Beschwörung effektiven rechtsstaatlichen Handelns: Möglichst nah dran sein sollen Berlins Strafverfolger an den Übeltätern, möglichst wenig Frist soll verstreichen zwischen Straftat und Urteil. Doch während die Politik seit Jahren die Einführung moderner Datenverarbeitung verspricht, schieben Justizangestellte weiter altertümliche Aktenwagen über die Gerichtsflure. Lange Amtswege und überflüssiger Papierkram hemmen die Ermittlungsarbeit, selbst am Kopierer müssen Staatsanwälte in Moabit stehen, weil Justizpersonal fehlt. Bei 60 000 neuen Strafverfahren jährlich wandern viele Fälle von einem Staatsanwalt zum anderen, am Ende steht oft ein Ankläger im Gerichtssaal, der kaum mehr als die Anklageschrift kennt. Das erleichtert der Verteidigung und letztlich den Angeklagten das Spiel.

Die kommende rot-schwarze Koalition hätte Anlass zur politischen Rechtspflege. Doch dem Vernehmen nach wurden zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Kriminalgericht keine konkreten Vereinbarungen getroffen. Das ist ungerecht. Gegenüber der Justiz und den Straftätern.

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