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Von Tag zu Tag: Arkademisch

Elisabeth Binder über ihre Einkäufe und die Handtasche zwischendurch.

Ein letzter stiller Sommerabend auf dem Potsdamer Platz. Es war im Sommer 1995, vom Dach des einzigen dort stehenden Hauses hatte man einen wunderbaren Blick auf den silbrig verhüllten Reichstag. In der unmittelbaren Umgebung des Weinhauses Huth sah man vor allem aufgewühlte Erde, eine Wüste aus Schlamm und Lehm in 100 Farben zwischen Beige bis Ocker. Zwei Jahre nach dem ersten Spatenstich konnte man sich noch nicht wirklich vorstellen, dass auf diesem Feld ein lebendiges Stadtviertel entstehen würde. Doch rasch schwoll die Sinfonie der Großstadt an im Scheppern der Laster, im rhythmischen Rattern der Bohrer, im Brummen der Stromgeneratoren, im Chor der Kräne.

Es gab eine Zeit, da durfte man den Potsdamer Platz über unheimlich schwankende Planken und glitschige Leitern nur mit Schwimmweste und speziell gesicherten Gummistiefeln betreten. Von ferne sah er aus wie ein See. Bis zu 4000 Arbeiter waren hier im Einsatz. Unterwassertaucher aus aller Welt legten Fundamente. Bald nahm das Musical-Theater Form an, die Debis-Zentrale, das Grand Hyatt Hotel. Die Taucher verschwanden, und an den Rohbauten konnte man bald mit Baustellenaufzügen außen hochfahren. Befürchtungen gab es genug, dass die Arkaden leer bleiben würden. So lange war die Gegend Niemandsland, hatte das Ende zweier Welten markiert.

Noch tief in der Nacht vor der offiziellen Eröffnungsfeier im Oktober 1998 war das Lied vom „Fertig werden“ zu hören, das Holpern der Schubkarren, das Kreischen der Fliesenschneider, das Ratschen der Schaufeln auf dem neuen Pflaster. Bald darauf stellte sich heraus, dass die „Potsdamer Platz Arkaden“ eine gute Mischung boten mit ihren Läden für ganz normale Menschen. Zwei Schokoladenläden sind natürlich ein kleiner Luxus, ansonsten Supermarkt, Schuhgeschäft, schicke Papeterie oben, normaler Schreibwarenladen unten, Schlangen vor den Sparkassen-Automaten, manchmal auch in der Apotheke oder im Drogeriemarkt.

Der nette blonde Verkäufer aus der Fotoabteilung bei Saturn fehlt jetzt natürlich. So oft hat er als geduldiger Coach am Fotoentwicklungsautomaten daneben gestanden, wenn in den Wirren der digitalen Revolution ungeduldige Kunden mal wieder die Nerven zu verlieren drohten. Und auch das Geschäft für die kleine Handtasche zwischendurch wird fehlen. Aber es hat schon früher Wechsel gegeben, und es ist immer was Schönes nachgekommen, der Spielzeugladen zum Beispiel mit dem Extraeingang für die kleinen Kunden. Der Sound ändert sich, aber still wird es hier nicht wieder werden.

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