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Von Tag zu Tag: Innehaltestelle

Christian van Lessen erinnert an einen Obdachlosen in Frohnau

Sie gehören zum Stadtbild, sitzen meist vor Supermärkten oder Kaufhäusern, und viele Menschen, die an ihnen vorbeigehen, tun so, als blickten sie nicht hin. Aber sie schauen doch, und mit der Zeit grüßen sie die harrenden Obdach- oder Wohnungslosen gar und werden als freundliche Bekannte zurückgegrüßt. Hier und da gibt es einen Euro auf die Hand, einen Apfel oder ein Stück Brot. Die Menschen, die vor den Einkaufsläden sitzen und auf Zuwendung hoffen – und wenn es nur ein freundlicher Blick ist –, werden sichtbar immer mehr in der Stadt. Fast 10 000 Wohnungslose soll es geben, bis zu 4000 Menschen leben vermutlich dauerhaft auf der Straße. Einer von ihnen hat mehrere Jahrzehnte seines Lebens vor einem Frohnauer Supermarkt an immer derselben Haltestelle verbracht. Sie hat ihm Halt gegeben, Sesshaftigkeit bis zum Letzten. Er hat nicht freiwillig fortgewollt. Nun hat er sich plötzlich aus dem Leben davonmachen müssen, die Nachbarschaft betrauert und bedauert ihn. Er dürfte darüber lächeln, wenn er könnte. Er fühlte sich wirklich frei – und fest verwurzelt.

Christian van Lessen

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