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Von Tag zu Tag: Polyglott

Gunda Bartels erlebt, wie bei der BVG aus Fremden Fahrgäste werden.

Karsamstag, die Straßen tragen Regengrau. Der Bus M 29 schaukelt mit beschlagenen Scheiben durch Kreuzberg und sammelt blind das Strandgut der Stadt an den Haltestellen ein. Gelangweilte Menschen auf dem Weg zur Arbeit, gestresste Menschen auf dem Weg zum Einkauf. Sie grüßen verhalten, wenn überhaupt. Der Busfahrer antwortet verhalten, wenn überhaupt. In Höhe Checkpoint Charlie schieben sich Ostertouristen ins Bild. Vor der offenen Bustür steht eine Traube und mustert an der Haltestelle unentschlossen den Fahrplan. Klapp, Tür zu, der Bus fährt ab, ohne sie. Nächste Haltestelle. Vier Menschen schauen fragend durch die offene Tür. „Wie kommen wir bitte zu ,Unter den Linden‘?“, fragt die Dame mit dem französischen Akzent höflich den Fahrer. Der zögert etwas. Lieber man tritt schnell hinzu, bevor das noch in die Hose geht. Völlig unnötige Sorge. „Vous venez avec moi“, hebt die in fließendem Französisch vorgetragene Antwort des polyglotten, übrigens schwarzen, Fahrers an. Die Touristen klettern erfreut an Bord, die Fahrgäste drinnen lächeln einander versonnen zu, aus Fremden werden Fahrgäste. Nun kann Ostern werden.

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