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Berlin: Von Tag zu Tag: Ruhe sanft!

Ein letztes Wiehern, Pferdegetrappel, das langsam erstirbt, dann Ruhe. Himmlisch, und doch fast beängstigend.

Ein letztes Wiehern, Pferdegetrappel, das langsam erstirbt, dann Ruhe. Himmlisch, und doch fast beängstigend. Man kennt das gar nicht mehr, nicht hier in Berlin, der Hauptstadt der Vergnügungen, der Mega-Events, Premieren, Liebesparaden etcpp. Gewiss, ein dumpfes Brummen aus zigtausenden von Abgasrohren liegt weiterhin in der Luft, die Hintergrundstrahlung des hauptstädtischen Universums, der unüberhörbare Rest des Big Bang, mit dem die Stadt wieder zur Metropole wurde. Aber dieses Nebengeräusch der Zivilisation filtert das Ohr mittlerweile locker weg. Der Rest ist Schweigen.

Das muss Ihnen doch gestern auch aufgefallen sein: Nix los in der Stadt. Schlimmer noch: Geradezu provinzieller Stillstand, Erlahmen jeder Hektik, die Berlin sonst wie ein Ehrenzeichen hauptstädtischen Fortschritts prahlerisch vor sich her trägt. Die Straßen? Fast leer. Die Plätze? Nur überschaubare Grüppchen hier und dort. Die Stimmung? Wie in den großen Ferien, wenn alle ausgeflogen sind. Unheimlich, irgendwie.

Nur noch dieses Quietschen von altem Lederzeug, das Knarren von hölzernen Wagentüren, das Klirren von Eisenreifen auf Asphalt. Es wird immer leiser, ist kaum noch auszumachen, ein letztes Wiehern, dann Ruhe. Wieder einmal ist einer der Verführung des Eiserne Gustav erlegen, hat wie dieser beschlossen, per Pferdekutsche bis nach Paris zu fahren. Sein Vorbild, Gustav Hartmann geheißen, wohnhaft in Wannsee, hatte dafür 1928 zwei Monate gebraucht, Franz-Josef Neuhaus, der gestern in Berlin aufbrach, will es in sechs Wochen schaffen. Berlin hat es registriert, mehr blinzend als hellwach, nickte zustimmend, seufzte tief auf, schloss die Augen: Endlich Ruhe!

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