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Berlin: Von Tag zu Tag: Schulfreundschaft

An der Babelsberger Straße zeigte sie ihren Kindern vor langer Zeit, wo die berühmt gewordene Schulfreundin ihren Großvater besucht hatte, einen Schuster. Ein karges Haus.

An der Babelsberger Straße zeigte sie ihren Kindern vor langer Zeit, wo die berühmt gewordene Schulfreundin ihren Großvater besucht hatte, einen Schuster. Ein karges Haus. An der Babelsberger Straße gingen beide vor noch viel längerer Zeit auch zur Schule, saßen nebeneinander in der Klasse.

Ist sie wirklich deine Freundin gewesen, fragten die Kinder, weil sie sich das nicht vorstellen konnten. Die Mutter gab zu, dass es die richtig dicke Freundschaft nicht war. Das Mädchen habe damals übrigens ganz anders geheißen. Dann fiel ein Name, der wie Wulfestieg klang. Das hörte sich so überzeugend fremd an. Wenn die Kinder den kurzen Namen der Prominenten hörten, hatten sie stets den langen im Kopf und fühlten sich wie wichtige Geheimnisträger.

Meistens war nur von "Hildchen" die Rede, wie das in Berlin ohnehin üblich wurde. Das klang liebevoll, bewundernd und natürlich auch ein wenig neidisch. Hildchen war die einzige aus jener Schulzeit, die es zu Berühmtheit gebracht hatte. Als sie nach den Filmerfolgen zu singen begann, vom Tapetenwechsel, von Berliner Sommersprossen und vom Rosenregnen, da wollte sich die alte Freundin einen Ruck geben, ins Konzert gehen. Hildchen aus der Nähe sehen. Oder zumindest mal anrufen, wenn es denn überhaupt ginge. Sie hat mit sich gerungen und dann doch gekniffen. Den Geschenkten Gaul, die Krankheitsgeschichte, hat sie verschlungen und mitgelitten. Sie war ein wenig betrübt und längst nicht mehr neidisch, als Hildchen nach Amerika ging. Bei der Rückkehr nach Berlin hieß es wieder mal: Man müsste miteinander telefonieren...

Sie ist traurig. Auch weil ein Stück Kindheit vorbei ist und kein Anruf sie zurückholt.

Christian van Lessen

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