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Berlin: Von Tag zu Tag: Warten auf den Tod

Es hat ein paar Wochen gedauert. Viel zu lange, aber jetzt haben wir verstanden.

Es hat ein paar Wochen gedauert. Viel zu lange, aber jetzt haben wir verstanden. Wir haben uns geirrt, alle. Wir haben den Sinn der "Körperwelten"-Schau nicht begriffen. Leichen zu inszenieren ist fragwürdig, gewiss. Herr von Hagens, der Ausstellungs-Chef, schmückt sich mit fremden Hüten, jaja. Aber es geht gar nicht um die Schau und nicht um die Macher. Es geht um das, was davor passiert, bevor man hineingeht zu den Toten. Wir hätten an Beckett denken sollen.

Samuel Beckett hat ein Theaterstück geschrieben, ein Jahrhundertstück, wie es heißt, und es "Warten auf Godot" genannt. Zwei Landstreicher, Estragon wie das Gewürz und Wladimir wie Wladimir, warten auf jemanden, so geduldig wie vergebens. Keiner weiß, die Landstreicher nicht und nicht der Zuschauer, wer Godot ist. Ob es ihn gibt und was er bringen wird. Trotzdem wird gewartet und trotzdem wird zugeschaut, bis zum Schluss. Die Landstreicher vertreiben sich die Zeit mit sich selbst. Wenn wir den Text recht verstehen, will er sagen: Es hat Sinn, zu warten, auch wenn das, worauf gewartet wird, keinen hat. Wer am Sonntag in die "Körperwelten" im Postbahnhof am Ostbahnhof wollte, musste auch warten. 90 Minuten Schlange stehen, bevor es hinein ging. Eineinhalb Stunden Zeit, um sich in die Ewigkeit zu denken, die hinter dem Kassenschalter ausgestellt ist. Man kann alles durchspielen im Kopf, den Tabubruch, die geraubte Totenruhe, die Geschäftemacherei und was dem blüht, der einen Kontrakt mit von Hagens macht. Das schafft kein Gottesdienst.

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