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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Carmens Restaurant in Eichwalde

Noch nie gehört, den Namen? Diesmal geht es aber nicht um ein neues Beispiel von Gründerwut im Speckgürtel, sondern um eine schlichte Umbenennung.

Noch nie gehört, den Namen? Diesmal geht es aber nicht um ein neues Beispiel von Gründerwut im Speckgürtel, sondern um eine schlichte Umbenennung. "C + W Gourmet", der ewige Geheimtipp am südlichen Berliner Stadtrand, heißt jetzt eben anders, griffiger, einprägsamer. Aber keine Angst: Es hat sich nichts geändert. Carmen Krüger, die Namenspatin, steht allein in der Küche, und Wolfgang Haase macht, ebenso allein, auf seine trocken-humorige Art den Service.

Warum also darüber reden? Weil ich, wie viele andere, immer mal wieder mit Skepsis hinfahre - wird das denn so weiter gehen? - und dann hoch erfreut abreise. Carmen Krügers Kochstil ist in keiner Weise modisch, hängt sich an keinen Trend, und er kann deshalb auch nicht aus der Mode kommen.

Ignoranten, die kulinarische Hochleistung nur an den Feldzeichen der, ähm, Gourmandise erkennen, sind hier allerdings falsch. Wer sich an Dreierlei von der Gänsestopfleber auf Pastinaken-Portwein-Coulis erfreuen will, muss anderswo suchen, es wird auch garantiert kein Kaviar preistreibend auf den Zander gehäufelt. Ein bisschen Hummer im Salat ist der Gipfel der Extravaganz. "Die feine brandenburgische Küche" steht programmatisch an der Tür, und das ist es dann auch.

Aber wie. Ich kann mich nicht entsinnen, schon einmal anderswo den Dauerbrenner "gebratene Entenleber mit Salat" mit ähnlichem Genuss gekostet zu haben. Die lockere, mit reichlich Krebssschwänzen gespickte Spargelterrine lässt durch kräftige Würzung hundert fade Vorgänger der kochenden Konkurrenz vergessen, die herrlich nach Fenchel duftende Krebssuppe wird beiläufig in einer braven Suppentasse serviert, und die Hollandaise zum akkurat abgepassten Spargel sowie einem mürben, exemplarisch dünn panierten Kalbsfilet lässt sämtliche Doppelgänger industrieller Provenienz vergessen.

Was immer wir bestellten, es löste die Versprechung einer modernen Regionalküche persönlicher Handschrift ein. Der marinierte Flussbarsch mit Bratkartoffeln, eine Art Luxus-Brathering, schmeckt wie ein zu Unrecht übersehener Berliner Klassiker, die gebackenen Holunderblüten mit Holundercreme und Vanillesauce lassen viele artifizielle Dessertkunststücke weit hinter sich. Wohlgemerkt: Es wäre sicher langweilig, würden alle besseren Küchenchefs diesen extrem reduzierten Stil pflegen, und Überraschungen kreativer Art bleiben natürlich weitgehend aus. Doch die Überraschung, die in der gebotenen Qualität liegt, wiegt das leicht auf. Die kleine Weinkarte ist über die Jahre klein geblieben, doch die Preise auch. Der hinreißende Grauburgunder von Schloss Proschwitz beispielsweise kostet kulante 56 Mark. Skeptiker, die die weite Anfahrt mit dem Auto scheuen, sollten es mal mit der S-Bahn versuchen. Vom S-Bahnhof Eichwalde ist Carmens Restaurant nur wenige Fußminuten entfernt.

Hierher geht man wegen des Weins: Das Charlottenburger "Mylos" ist eines der wenigen griechischen Restaurants, deren Wirte überhaupt wissen, dass es in ihrem Land trinkbare Weine gibt. Also keine billige Dröhnung namens Kokkinelli oder Demestica aus der Zweiliterflasche, sondern hervorragende, dennoch preisgünstig kalkulierte Qualität. Auch die Vorspeisen, beispielsweise die Zucchinipuffer mit Minze, ragen weit über das erwartete Niveau hinaus; bei den Hauptgängen zogen wir mit radiergummizähem Oktopus sowie verkochten Hühnerbeinen mit adäquat matschigem Gemüse allerdings zwei Total-Nieten. (Holtzendorffstr.20, Charlottenburg, täglich ab 16 Uhr 30, sonn- und feiertags ab 12 Uhr, Tel. 323 81 63.)

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