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In Wirklichkeit dusterer als auf Fotos: Die "Kantine Kohlmann" im Wrangelkiez.

© Kantine Kohlmann / promo

Von TISCH zu TISCH: Kantine Kohlmann

Der Name, ironisch-volkstümlich, passt zum ordentlichen Essen ganz gut. Nur: Ein bisschen mehr Licht wäre nicht schlecht

Früher hieß diese Gegend – Ältere werden sich noch erinnern – „SO36“. Heute reden alle nur noch vom „Wrangelkiez“, und zwar mit einer Betonung, die Ehrfurcht anzeigt: Hölle, was da abgeht. Schwer zu beurteilen, aber wer lange nicht mehr da war, der staunt zumindest über ein paar edle Cafés, die vermutlich vom Gespenst der Gentrifizierung gegründet wurden und ihre Kundschaft finden.

Die „Kantine Kohlmann“ existiert dort schon seit 2013, als Vorreiter des immer noch etwas diffusen Trends zur modernen deutschen Küche. Hier ist aber nicht die Radikalität der Kohl-und-Boden-Stilistik nordischer Prägung gefragt: Das Küchenteam gibt sich mit dezenter Auffrischung der Klassiker zufrieden und schiebt vorn bei den Häppchen à la Tapas ein paar Modernismen ein.

Da gibt es dann beispielsweise Gurkenabschnitte, die schön frisch mit Reis, Algen und einem Hauch Limette drüber angerichtet sind, das Selleriesüppchen im Glas kommt sahnig-aromatisch mit ein paar Champignons und dezent gewürzten Zimt-Croutons. Neben den drei kleinen, etwas trockenen Königsberger Klopsen wölbt sich ein Kartoffel-Espuma von durchaus soßiger Konsistenz, und das Fischbrötchen ist tatsächlich eins: Zwischen den rötlich gefärbten Hälften liegt ein Matjesfilet, das durch einen Wasabi- Chinakohl-Salat seine individuelle Note erhält – alles ausgezeichnet gewürzt und seinen Preis von 4 bis 5 Euro wert.

Bei den Hauptgängen wird es dann ein wenig grobschlächtig. Der Kabeljau mit Wurzeln und Apfelweinsauce kommt als riesige Portion, drei gut gegarte Fischstücke getrennt durch ziemlich batziges blaues Kartoffelpüree, eher deftig als fein (19,50). Und die Kartoffelnocken sind okay, aufgebraten, ohne zäh zu sein und mit Kürbiswürfeln und Wildkräuterspinat angemessen begleitet; der Bergkäse, ein paar Scheibchen irgendwie obendrauf gepackt, kann so weder seine spezifische Aromatik noch den besonders fehlenden Schmelz entfalten (18,50).

Hier ist also noch viel Feinschliff zu leisten, den die Desserts durchaus schon zeigen: sehr gelungenes Nougatparfait mit Kokosküchlein und Kirschen, und Zwetschgen im Glas mit Mandeln, weißem Schokoschaum und einem angenehm kontrastierenden, nicht genau identifizierbaren Granité (7,50). Schöne deutsche und österreichische Weine für relativ wenig Geld gibt es drauf: Der schlanke, würzige Veltliner von Stefan Bauer/Wagram kostet 31 Euro.

Kantine Kohlmann? Das ist diese ironisch gefärbte Volkstümlichkeit, die zum Essen ganz gut passt und sicher auch dazu, dass unten im Keller garantiert mal Kohlen gelagert wurden. Der Gastraum, klein und eng möbliert, wirkt auf den Fotos sehr stylish; im Detail ist es dann doch ziemlich zusammengekramt mit einem trüben zentralen Leuchtgestirn, das aussieht, als wäre es einst im verblichenen Palast-Hotel abgeschraubt worden. Duster ist es in der Kantine, sehr schummrig, das ist nicht mein Fall. Aber das werden die meisten Gäste vermutlich anders sehen.

- Kantine Kohlmann, Skalitzer Str. 64, Kreuzberg, Tel. 85611133, Mo bis Sa 18 bis 0, So 17 bis 0 Uhr

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