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Berlin: Von Troja an die Westfront

Erst war Diane Kruger die schöne Helena. Jetzt dreht sie unter anderem in Berlin einen Film über den kurzen Weihnachtsfrieden 1914

Dahinten muss irgendwo der Sandkasten der Generäle stehen, dort spielen sie sich gegenseitigihre Schlachten vor. Ein Pappschild weist den Weg: „HQ – Warroom’s Corridor“. Zum „Make-Up“ geht es gleich hier links, und wer die Treppe nach oben steigt, landet genau im Bereich „Opera Backstage 3rd Floor“. Zwischen Krieg und Kunst liegen im Film mitunter nur zwei Stockwerke.

Für einige Tage ist das ehemalige, nun leer stehende Kammergericht am Charlottenburger Witzlebenplatz zum Drehort geworden. Wie üblich abgeschottet von der Öffentlichkeit, doch an diesem Samstagnachmittag ist sie für eine gute halbe Stunde doch zugelassen, freilich vom wirklichen Drehort abgetrennt durch weißrote Flatterleinen, die ein Niemandsland schaffen zwischen Wirklichkeit und Kino, Raum für Fototermin und Pressekonferenz. Gelegentlich werden Scheinwerfer oder Stative vorbeigetragen, auch mal ein schnauzbärtiger Bronzekopf, wahrscheinlich gehört er zu einem längst verstorbenen Kriegshelden. Und dann gibt es als Hauptdekoration noch einen Weihnachtsbaum sowie ein Foto mit Daniel Brühl und Benno Fürmann in kaiserlicher Uniform, dazwischen mondän Diane Kruger, eine Szene mit Schnee, Stacheldraht und einem weiteren Weihnachtsbaum. „Merry Christmas“.

Ein Titel, der nicht recht zum Stacheldraht passen will. Der aber sofort einleuchtet, sofern man die dem Film zugrunde liegende Episode aus dem Kriegswinter 1914 kennt, als an der Westfront deutsche, französische und britische Soldaten am Weihnachtstag spontan die Waffen zur Seite legten und aus den Gräben kletterten, um gemeinsam zu feiern, ihre Toten zu begraben – und miteinander Fußball zu spielen. Ein fast verschüttetes Detail aus dem Ersten Weltkrieg, in Deutschland immerhin vor Jahresfrist durch Michael Jürgs’ Buch „Der kleine Frieden im Großen Krieg“ (C. Bertelsmann) in Erinnerung gebracht. Allerdings beschäftigt sich der französische Regisseur und Drehbuchautor Christian Carion schon sehr viel länger mit dem Stoff, der ihm und dem Produzenten Christophe Rossignon schon biografisch nahe liegt. Beide stammen aus Nordfrankreich, kennen die alten Schlachtorte seit ihrer Kindheit.

Seit August wird gedreht, mit der Berliner Senator Film als Koproduzenten, in Schottland, Frankreich, Rumänien und nun eben in Berlin. Im Studio Adlershof wurden eine Opernaufführung gedreht, in die die Nachricht vom Kriegsausbruch hineinplatzt. In der Witzlebenstraße entstehen vor allem Szenen aus dem deutschen Hauptquartier an der Westfront. Im Mittelpunkt stehen Benno Fürmann als Opernsänger und Diane Kruger als Sängerin und seine Frau. Wie Hunderttausende hat es auch ihn in die nordfranzösischen Schützengräben verschlagen, er wird der Erste sein, der sich überwindet, das Gewehr weglegt und Weihnachtslieder singend auf den Feind zugeht. Sie wird ihn heimlich an der Front besuchen – eine erfundene Romanze vor einem alles andere als romantischen Hintergrund.

Für Diane Kruger – eigentlich heißt sie Heidkrüger, lässt aber mit Rücksicht auf die internationale Karriere die Heide und gerne auch die Pünktchen des Umlands weg – ist es die erste Rolle in ihrer Muttersprache, was schwieriger war als erwartet. Auch gestern vor dem Christbaum im leer stehenden Gerichtsgebäude war ein leichter französischer Zungenschlag unüberhörbar. Sie lebt dort eben schon so lange in Paris, möchte auch, sehr europäisch geprägt, gar nicht weg. In Hollywood arbeiten, gerne – als Helena in „Troja“ beispielsweise oder in dem Thriller „Das Vermächtnis der Tempelritter“, der nächste Woche ins Kino kommt. Aber deswegen dorthin umziehen, das muss nicht sein.

Die Kinokarriere kam ihr gerade recht, ein durch Zufälle begünstigte Chance, die sie zu nutzen wusste. Die Arbeit als Model war ihr zuletzt doch recht langweilig geworden. Weihnachten wird sie in diesem Jahr wieder mal bei ihrer Familie in Hildesheim feiern – ganz klassisch, mit Rotkohl und Gänsebraten.

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