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Berlin: Vorbildliche Bahn

Seit gestern ist der Ostbahnhof rauchfrei. Theoretisch. Bahnmitarbeiter qualmen weiter, und auch die Tabakwerbung bleibt

Vorbildlich oder nicht? Das ICE-Team der Bahn steht auf dem Bahnsteig des seit gestern „rauchfreien“ Ostbahnhofs, und einige von ihnen lassen sich die Zigarette schmecken. Und das, obwohl Bahnchef Hartmut Mehdorn möglichst wenig Raucher auf den Bahnhöfen sehen will. Doch die Mitarbeiter stehen auf einer der „Raucherinseln“, direkt unter dem gelben Schild „Raucherbereich“. Also doch ein Vorbild?

„Verbieten können und wollen wir das Rauchen auf den Bahnhöfen nicht. Einen Platz für Raucher wird es immer geben“, sagt Bahnsprecher Burkhard Ahlert. So ganz rauchfrei, wie die Bahn verspricht, werden ihre Bahnhöfe also nicht werden. Am ersten Tag ohne Nikotin waren gestern Raucher auf dem Ostbahnhof in der Minderheit. Nur wenige standen in den zugelassenen Qualmgebieten und zogen an ihrer Zigarette. Sie werden dort sogar richtig verwöhnt. Damit sich die Raucher pudelwohl fühlen, hat die Bahn extra Bänke für sie aufgestellt. Und Tische, die vor den Kiosken auf den Bahnsteigen platziert wurden. Die Inhaber wird’s freuen; auch so kann man den Umsatz ankurbeln.

Dass der Bahnhof rauchfrei sein soll, kann man nicht übersehen. Am Eingang hängen die ersten gelben Hinweistafeln. Und im Bahnhof sind sie überall verteilt. Nur noch drei Raucherbereiche gibt es auf den Fernbahnsteigen, zwei sind es auf den kürzeren Bahnsteigen der S-Bahn. Und auch hier wird der Raucher nicht ganz eingeengt. Wo die jeweiligen Grenzen sind, kann er selbst festlegen. Besondere Markierungen unter dem Schild „Raucherbereich“ gibt es nicht.

Der Versuch, die Sicherheit zu erhöhen und das Wohlbefinden der Nichtraucher zu fördern, ist für die Bahn auch so teuer genug. Rund 58 000 Euro haben die Schilder und neuen Aschenbecher allein für den Ostbahnhof gekostet. Die Aschenbecher sind so toll geworden, dass sie auf den ersten Blick gar nicht als solche zu erkennen sind. Die bisherigen haben einen Deckel verpasst bekommen, damit niemand auf die Idee kommt, sich eine Zigarette anzünden zu wollen.

Das Verlangen danach war am Premierentag nicht groß. Bis zum Mittag mussten die Lehrlinge der Bahn, die dafür extra abgestellt worden sind, nur einen Kunden ansprechen, der in der rauchfreien Zone an der Zigarette zog. Als Ersatz gibt’s Gummibärchen.

Und ganz auf die Raucher verzichten mag die Bahn ohnehin nicht. Sie braucht sie, denn sie bringen auch Geld. Im rauchfreien Ostbahnhof gibt es zumindest weiter riesige Tafeln, die für den Tabakkonsum werben. Vorbildlich? Klaus Kurpjuweit

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