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Berlin: Wachen Auges

Hans Schlesinger wird Monets „Seerosen“ vermissen – er sah sie jeden Tag

Hans Schlesinger ist 61 Jahre alt. Und Rentner, eigentlich. Seit Februar arbeitet er zwischen weltberühmten Gemälden im MoMA, heute zwischen Matisses „Der Tanz“ und Monets „Seerosen“. Edward Hoppers „Benzin“ hängt nur ein paar Meter weiter. Das sind, der Zufall will es, seine Lieblinge unter den Gemälden. „Alles sehr beeindruckend“, sagt Schlesinger, „auch nach sieben Monaten noch.“ Schlesinger gehört zum Wachpersonal der MoMAAusstellung.

Nein, auf einen Stil oder eine bestimmte Richtung in der Malerei sei er nicht festgelegt. „Bilder mit kräftigen Farben gefallen mir. Und man sollte erkennen, was der Maler darstellen wollte.“ Bei Matisse und Monet also versieht er seinen Dienst, die weißen Hemdsärmel aufgeschlagen. Und hier, an diesem Arbeitsplatz, genießt er einen Vorteil gegenüber den Kollegen, die in dem kleinen amerikanischen Raum van Gogh und Klimt bewachen: Die Luft ist weniger abgestanden, man riecht die zum Teil fiebrige Aufregung der Besucher nicht.

Die platt gestandenen Füße nach den Schichten wird Hans Schlesinger nicht vermissen. Seinen Arbeitsplatz, den schon eher. Und vielleicht auch das Ritual, das zu seinen Frühschichten gehört. Das Ritual geht so: Türen werden geöffnet, Menschen strömen in die Ausstellungsräume, bleiben vor Gemälden stehen und blicken bald so, als gehe die diesseitige Welt sie nichts mehr an.

Schlesinger erzählt, dass man sie ja alle kennen lernt mit der Zeit – die Bilder, und manchmal auch Menschen, die vor ihnen stehen. Da gab es zum Beispiel einen Herrn, so um die 50, „der kam in den ersten Monaten immer wieder“. Bewegte sich fahrig durch die Räume, bis er sich vor Beckmanns Triptychon aufgebaut hatte, und versank dann für unbestimmte Zeit. Aber, sagt Schlesinger, das „ganz normale Publikum“ müsse er unbedingt auch mal loben. „Was die Menschen auf sich nehmen! Ich würde mich keine zehn Stunden anstellen. So toll die Bilder sind. Ich glaube, ich würde mir von jemandem den Katalog besorgen lassen.“ Und noch was wolle er zu den normalen Besuchern sagen. Die seien sehr interessiert und diszipliniert. Gucken lange und versuchen nicht, die Bilder anzufassen. Nicht von allen VIP-Gästen, die zu Empfängen im Haus waren, könne er das behaupten.

Manchmal allerdings passieren Dinge, die lassen Hans Schlesinger zweifeln, ob das wirklich alles so stimmt, dass die Besucher alle so genau hinsehen. Da kam mal jemand und erkundigte sich, wo denn bitte Monets „Seerosen“ hängen? Schlesingers Kopf macht eine kaum merkliche Bewegung, die wie ein Schütteln aussieht. Drei Bildtafeln nebeneinander, jede zwei Meter hoch und vierfünfundzwanzig lang. „Wenn man den Raum hier betritt, dann fällt man doch fast rein in den Teich.“ Die Dame stand direkt davor. mne

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