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Berlin: Wärmende Worte

Trotz drohenden Prozesses fühlt sich Senator Sarrazin politisch handlungsfähig

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Finanzsenator Thilo Sarrazin denkt – Klage hin, Klage her – in weiten Perspektiven. Das drohende Gerichtsverfahren wegen Untreue hält ihn nicht davon ab, erste Vorbereitungen für den Haushalt 2006 und die Finanzplanung bis 2009 zu treffen. Eine Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht ist in Arbeit, um der ablehnenden Haltung des Bundes und der Länder auf die Forderung nach Sanierungshilfen für Berlin entgegenzutreten. Ein anderes Feld, dass Sarrazin in nächster Zeit intensiv beackern will, ist die Sanierung der BVG, der Krankenhaus-Holding Vivantes und der Charité.

Gestern saß er in diversen Aufsichtsratssitzungen, und mit den Chefs der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hat er für die nächsten Tage ein Treffen vereinbart.Trotz der Belastung, die die Anklage mit sich bringt, fühlt er sich voll arbeitsfähig. Der Senator gehe seiner Arbeit „in recht aufgeräumter Stimmung“ nach, berichten Mitarbeiter. Nur als ihn die Nachricht von der Anklage am Dienstag erreichte, sei er „ziemlich angefasst“ gewesen. Derweil laufen in Sarrazins Büro viele E-Mails, Briefe und Anrufe ein, die ihm gut tun.

Quer durch die Parteien und vor allem aus der Wirtschaft erreichen ihn Solidaritätsadressen. „Bleiben Sie im Amt“, ist der Tenor. Auch Sarrazins früherer Chef, der Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), lobt ihn, laut „Süddeutsche Zeitung“, über den grünen Klee: „Ein guter Mann, redlich, korrekt und verlässlich. Der hat noch nie jemanden ausgeschmiert.“ Sarrazin hilft der wärmende Zuspruch. Bei den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg (UVB) ist er ebenfalls wohl gelitten. „Wir hoffen, dass er uns als Finanzsenator erhalten bleibt“, sagte UVB-Sprecher Thorsten Elsholtz gestern. Schon aus grundsätzlichen rechtspolitischen Gründen würden es die Unternehmensverbände begrüßen, wenn das Landgericht den Untreuevorwurf abschmettert.

Unterstützung erfährt Sarrazin sogar vom SPD-Abgeordneten Hans-Georg Lorenz, dem Sprecher des linken Donnerstagskreises. „Ich glaube nicht, dass das Landgericht diese politische Klage zulässt.“ Lorenz dementierte, dass er auf Distanz zum Senator gehe. Bei einem Misstrauensantrag der Opposition werde er Sarrazin „selbstverständlich stützen“. Sollte es doch zum Gerichtsverfahren kommen, sei es allerdings unwahrscheinlich, dass „selbst ein so harter Mann wie Sarrazin die Belastung durchsteht“. Dann stelle sich die Frage des Rücktritts.

Die Gewerkschaften, für die Sarrazin seit langem ein rotes Tuch ist, wollen ihn „nicht vorverurteilen“, sagte der DGB-Vizechef Bernd Rissmann. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi verkneift sich Rücktrittsforderungen. „An einem Wechsel im Amt des Finanzsenators sind wir nicht interessiert“, so Verdi-Sprecher Andreas Splanemann. Nur die Gewerkschaft der Polizei wünscht sich Sarrazin weg.

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