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Komplettiert die Doppelspitze. Die Grünenfraktion will am Dienstag Antje Kapek zur Fraktionsvorsitzenden wählen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wahl des Fraktionsvorstands: Aufstieg über die Gräben hinweg

Am heutigen Dienstag wählt die Grünen-Fraktion ihren Vorstand. Antje Kapek wird neben Ramona Pop die Doppelspitze bilden.

Es geht wieder harmonischer zu bei den Grünen. Entspannt blicken die Abgeordneten auf die Fraktionssitzung am Dienstag. Dann wählen sie ihren Vorstand neu – und alle Personalien sind einvernehmlich geklärt. „Das Team steht“, sagt Benedikt Lux, derzeitiger und künftiger Fraktionsgeschäftsführer. Jetzt bekommen die Grünen ihre traditionelle Doppelspitze wieder. An die Seite Ramona Pops, die die Fraktion seit einem Jahr allein führte, tritt Antje Kapek. Sie legt einen steilen Aufstieg hin; denn dem Abgeordnetenhaus gehört die 36-Jährige erst seit einem Jahr an. Mit dem parlamentarischen Betrieb hat Kapek, die Stadtentwicklungsexpertin, aber zu keiner Zeit gefremdelt.

Die fünf Jahre zuvor, in denen sie die Grünenfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung in Friedrichshain-Kreuzberg führte, sind eine gute Grundlage. Sich in dem dortigen, sehr diskussionsfreudigen Kreisverband durchgesetzt zu haben, das schult auch für die bekannten Kontroversen in der Abgeordnetenhausfraktion. Der Bezirk ist nicht nur ihre politische Heimat; dort lebt die diplomierte Geografin in der Nähe vom Görlitzer Park mit Mann und kleinem Sohn.

Kapek scheut sich nicht vor der neuen Aufgabe. „Friedrichshain-Kreuzberg ist ein grün-geführter Bezirk. Da weiß man auch, wie es ist, wenn man Regierungsverantwortung hat“, sagt sie. Jetzt aber heißt es erst einmal Oppositionsarbeit zu machen. Die künftige Fraktionsvorsitzende lässt keinen Zweifel daran, welche Rolle die grüne Fraktion spielen wird: selbstverständlich als Oppositionsführer. „Das vergangene Jahr war ein bisschen im Piraten-Hype“, sagt sie. Das sei ja auch irgendwie verständlich, wenn eine neue Partei auf einmal ins Abgeordnetenhaus einzieht. Aber damit soll jetzt Schluss sein. Themen, an denen sich die Grünen-Fraktion abarbeiten und gegen den rot-schwarzen Senat positionieren kann, sieht sie genug.

Mit Überraschungen bei der Wahl rechnet niemand mehr in der 29-köpfigen Fraktion, die jetzt endgültig die Frustrationen des vergangenen Jahres vergessen möchte. Erst war das Wahlergebnis hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben, dann waren die Koalitionsverhandlungen mit der SPD gescheitert, und die Fraktion verfiel in Grabenkämpfe zwischen den Parteiflügeln. In deren Verlauf gab der bisherige und nur knapp wiedergewählte Fraktionschef Volker Ratzmann erst den Vorsitz der Fraktion ab, um sie wenig später ganz zu verlassen. Kleine Animositäten gibt es zwar nach wie vor; aber alle Beteiligten mühen sich redlich, sie nicht zu größeren Konflikten ausufern zu lassen.

Neben den beiden Frauen an der Spitze werden auch die drei Stellvertreter und der parlamentarische Geschäftsführer gewählt. Zur Wahl stehen Stefan Gelbhaar, der Verkehrsexperte der Fraktion, der den Posten schon ein Jahr lang innehat, sowie die frauenpolitische Sprecherin Anja Kofbinger und Stefanie Remlinger, Expertin für berufliche Bildung und Haushaltspolitik sowie Benedikt Lux als Fraktionsgeschäftsführer. Der künftige Vorstand steht auch für einen Generationswechsel in der Fraktion, denn neben Kapek gehören auch Gelbhaar und Remlinger erst seit einem Jahr dem Abgeordnetenhaus an.

Schon in der Phase des offenen Streits gelang es Kapek, verbindend zu wirken. Auch wenn sie zu den Parteilinken zählt, erzielte sie damals bei den Vorstandswahlen einen Achtungserfolg. Unter den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden erhielt sie das beste Ergebnis. „Sie ist wahnsinnig fleißig, gut organisiert und hat ihre Themen voll im Griff“, heißt es. Im Prinzip ist Kapek mit den Grünen seit deren Anfangsjahren verbandelt. Aufgewachsen ist sie in den Jahren des Häuserkampfs in West-Berlin. Mit ihrer Mutter lebte sie Anfang der achtziger Jahre in besetzten Häusern in Kreuzberg, keine besonders kuschelige Umgebung für ein Kind. In manchen der Wohnprojekte ging es ziemlich robust zu. Eine prägende Erfahrung. Ihr Vater Frank, bei dem sie später wohnte, saß von 1987 bis 1989 zwei Jahre lang im Abgeordnetenhaus für die Alternative Liste, wie die Grünen damals in Berlin hießen. Er hat sich dann bald von der Politik verabschiedet.

Die Tochter brauchte aber wohl Abstand, auch räumlichen, um zur Politik und zu den Grünen zu finden. Anfang der 2000er Jahre studierte Kapek in den Niederlanden. Das Land machte damals eine gravierende politische Wandlung durch. 2002 wurde der islamfeindliche Rechtspopulist Pim Fortuyn ermordet. Die Gesellschaft rückte nach rechts. Kapek fühlte sich nicht mehr wohl. Sie wollte sich politisch einbringen – „mit einem klaren Bekenntnis gegen Rechts“. Und hatte das Gefühl, dies am besten in Berlin verwirklichen zu können. Sigrid Kneist

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