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Kampf um jede Stimme. Wahlplakate in der Frankfurter Allee.

© Wolfgang Kumm/dpa

Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Konservative mobilisieren besonders viele Wähler

Viele Berliner sind noch ratlos, wem sie am 18. September ihre Stimme geben sollen, vor allem SPD-Anhänger. Mit Michael Müller hat auch die eigene Partei Probleme.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In knapp drei Wochen wird in Berlin gewählt, aber es sieht so aus, als wenn sich viele Bürger erst kurz vor dem 18. September entscheiden, ob sie an der Wahl teilnehmen und wo sie ihr Kreuzchen machen. Ein besonders großes Mobilisierungsproblem hat offenbar die SPD, die mit Michael Müller den Regierenden Bürgermeister stellt. Nach einer Umfrage des Instituts Forsa im Auftrag der „Berliner Zeitung“ haben sich erst 55 Prozent der SPD-nahen Wähler festgelegt, wen sie wählen werden.

Dagegen haben die meisten Anhänger der AfD (88 Prozent) und CDU (78 Prozent) ihre Entscheidung schon getroffen. Die hohe Mobilisierung der konservativen Wählerschaft deutet sich auch bei der Briefwahl an. In drei von vier Bezirken, in denen die Union bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 vorn lag, ist der Anteil der bisher gestellten Briefwahlanträge mit Abstand am höchsten. Das sind Steglitz-Zehlendorf, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg. Auch in Berlin sind die Briefwähler überdurchschnittlich konservativ.

Nur eine Minderheit ist mit dem rot-schwarzen Senat zufrieden

Die Ratlosigkeit vieler Wähler wird auch durch die Meinungsumfragen nicht behoben, die fast im Wochenrhythmus in Berlin veröffentlicht werden. Bei der Sonntagsfrage für August schwanken die Zahlen für alle Parteien beträchtlich: SPD (21 bis 24 Prozent), CDU (17 bis 20), Grüne (17 bis 19), Linke (15 bis 17) und AfD (10 bis 15). Die FDP liegt mal über, mal unter der Fünf-Prozent-Grenze. Was soll man von alledem halten?

Das Problem ist die realitätsnahe Gewichtung der Rohdaten, die von den Meinungsforschern eingesammelt werden. Um ein Beispiel zu nennen: Vor der Abgeordnetenhauswahl 2011 wurden SPD und Grüne in den Umfragen systematisch überbewertet, CDU und Piraten dagegen unter Wert verkauft. Dieses Mal ist es das Institut Forsa, das bei der Sonntagsfrage regelmäßig zu anderen Ergebnissen kommt als die Konkurrenz. Die SPD wird deutlich besser, die AfD viel schlechter bewertet als bei den übrigen Umfragen.

Offenbar rechnet Forsa für die Sozialdemokraten einen Amtsbonus des Regierungschefs Müller ein und geht davon aus, dass Parteien rechts von der CDU im eher linken und liberalen Berlin schlechter abschneiden als im übrigen Bundesgebiet. Trotzdem sieht nicht nur Infratest dimap, sondern auch Forsa die Berliner SPD seit Ende 2015 im Sinkflug. Entsprechend nervös ist der kleine Stab von Vertrauten und Beratern rund um den Spitzenkandidaten Müller.

Für die Genossen, die seit 15 Jahren den Regierenden Bürgermeister stellen, kommt erschwerend hinzu, dass nur eine Minderheit der Berliner mit der Arbeit des rot-schwarzen Senats zufrieden ist. 37 Prozent sind es bei Infratest, 33 Protest bei Forsa. Auch mit Müllers Arbeit sind nur 44 bzw. 47 Prozent zufrieden. Und in einer Umfrage der Firma Civey im Auftrag des Tagesspiegels trauen Müller nur 28 Prozent der Berliner die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters zu. Zum Vergleich: In Mecklenburg-Vorpommern, wo am nächsten Sonntag gewählt wird, liegt die Zufriedenheitsquote für den Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) mit 60 Prozent viel höher. Und es sieht trotz des großen Zuspruchs für die AfD derzeit so aus, als könne er das Land im Norden weiter regieren.

Sellerings Parteifreund und Berliner Amtskollege ist dagegen auch in der eigenen Partei zunehmend umstritten. Enge Vertraute Müllers, auch der Stadtentwicklungssenator und Vize-Landeschef der SPD, Andreas Geisel, bringen intern bereits eine Mitgliederbefragung ins Spiel. Mit dem Ziel, bei einem miserablen Wahlergebnis für die Sozialdemokraten Müller mit Hilfe der Parteibasis im Regierungsamt zu halten. Denn auf einem SPD-Landesparteitag hätte er bei einer Wahlniederlage die Mehrheit wohl gegen sich.

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