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Eine Liebe fürs Leben. Vor 50 Jahren Zuschauer, jetzt Theater-Chef: Didi Hallervorden.

© Thilo Rückeis

Wahlbezirke (5): Was Steglitz-Zehlendorf ausmacht

Zwei Persönlichkeiten aus Steglitz und Zehlendorf verraten, was sie an ihrem Kiez mögen - und was nicht.

"Beim Kreise muss was passieren" - Dieter Hallervorden, Entertainer

Das Steglitzer Schlosspark-Theater war dem Ostberliner Studenten ein Begriff, seit dort 1953 die deutsche Uraufführung von Becketts „Warten auf Godot“ stattfand. Nachdem sich Dieter Hallervorden fünf Jahre später in den Westen abgesetzt hatte, wurde er Stammgast der Bühne an der Schlossstraße. Dem Bezirk im Süden ist der Künstler seit damals verbunden. Während er an der FU studierte, wohnte Hallervorden in einem möblierten Zimmer in der Markelstraße. Von dort konnte er zum Schlosspark-Theater laufen, wo er Martin Held und Stefan Wigger erlebte. Im nahen Titania-Palast stand der Schauspielschüler dann in der Kindertheater-Aufführung von „Doktor Eisenbart“ selbst auf der Bühne.

50 Jahre später hatte es der erfolgreiche Schauspieler und Komiker, dessen Kabarett „Die Wühlmäuse“ seit 1960 Erfolgsgeschichte schreibt, eigentlich nicht nötig, Experimente einzugehen. Dennoch war Hallervorden gleich Feuer und Flamme, als er vor drei Jahren von der Ausschreibung für das damals brachliegende Theaters erfuhr. „Ich habe mir das Haus angesehen und war entsetzt“, erinnert sich der Künstler. „Da habe ich an die vielen schönen Stücke gedacht, die ich hier gesehen habe und mir war klar, egal, wie der Zustand ist, hier soll mein Geld begraben werden.“

Hallervorden erhielt den Zuschlag, der ihn manche schlaflose Nacht gekostet hat. Rund 1,6 Millionen Euro hat er investiert. Subventionen gibt es nicht, nur Lottomittel und die ersten vier Jahre sind mietfrei. „Ich habe das nicht aus Mangel an Beschäftigung, sondern aus Liebe zum Theater getan“, sagt Hallervorden. „Ein Herzensprojekt, von all dem, was ich beruflich gemacht habe, ist mir diese Phase die wichtigste.“ Viele bekannte Kollegen hat er seit dem Neubeginn vor zwei Jahren auf die Traditionsbühne geholt.

Der Steglitzer Kreisel, dessen Bauruine sich schräg gegenüber vom Theater erhebt, ist das Einzige, was den 75-Jährigen am Bezirk stört: „Da muss etwas passieren.“ Den Bierpinsel findet er „imposant“, die Schlossstraße mit ihren vielen noch inhabergeführten Fachgeschäften muss aus seiner Sicht als Einkaufsmeile den Vergleich mit Kurfürstendamm und Friedrichstraße nicht scheuen. Und zumindest die Gastronomie ist auch hier multikulturell, freut sich der Schauspieler. Will er nach der Vorstellung noch Essen gehen, reicht die fußläufige Auswahl von der deutschen Küche über den Italiener, Griechen und Mexikaner bis hin zu indischen Spezialitäten.

Zu Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) hat er ein ebenso gutes Verhältnis wie zum auch für die Hauptstadtkultur zuständigen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Beide zählen häufig zu den Premierengästen. Während sie mit dem Dienstwagen kommen, bringt der Bus M48 Besucher in einer Dreiviertelstunde vom Alexanderplatz zur eigenen Haltestelle „Schlosspark-Theater“. Dort verdeckt gerade ein Baugerüst den goldenen Namenszug über dem Eingang mit den vier dorischen Säulen. Das Dach muss neu gedeckt werden. Drinnen ist von den Arbeiten nichts zu merken, eine Sommerpause gönnt man sich nicht. Gespielt wird donnerstags bis sonntags, ab September gibt es wieder ein tägliches Programm.

„Die Besucher erkennen unseren Mut und die Qualität des Spielplanes an“, sagt Hallervorden. „Wir leisten uns den Luxus eines wechselnden Repertoires und bieten pro Monat die Auswahl zwischen bis zu acht Produktionen.“ So stehen gleich zwei Premieren ins Haus: „Besuch bei Mr. Green“ mit Michael Degen und Steffen Schroeder am 14. September und „Alexandra“, die Geschichte um Leben und Tod der Sängerin (15. Oktober). Trotz wachsenden Stammpublikums würde sich Hallervorden „vier bis fünf“ Besucher mehr pro Vorstellung wünschen, „es können auch 40 sein“. Er weiß, „es braucht eine gewisse Zeit, bis so etwas wieder belebt ist, aber ich bin jemand, der einen langen Atem hat. So lange meine Beine mich ins Theater tragen und der Kopf noch mitmacht, bleibe ich hier.“ Rainer W. During

"Keine abgeschotteten Viertel" - Stephan Schwarz, Unternehmer

Eine Kino-Liebe. Stephan Schwarz schwärmt vom anspruchsvollen Programm des "Bali".
Eine Kino-Liebe. Stephan Schwarz schwärmt vom anspruchsvollen Programm des "Bali".

© Thilo Rückeis

Für Stephan Schwarz ist das Leben am südwestlichen Stadtrand ideal: „Hier kann man Landluft schnuppern und dank der guten Verkehrsanbindung trotzdem die Vorzüge der Großstadt genießen“, sagt der 45-jährige Unternehmer und Präsident der Handwerkskammer Berlin über Zehlendorf. Geboren wurde er in Wilmersdorf, und seine Gebäudeservice-Firma GRG liegt in Reinickendorf; doch bereits seit seiner Grundschulzeit wohnt Schwarz in Zehlendorf – zuerst am Mexikoplatz und heute in Wannsee. Neben dem vielen Grün lobt er die schnelle Erreichbarkeit der Innenstadt: Per Auto oder Bahn schaffe man es in 20 Minuten zum Kurfürstendamm und in einer halben Stunde nach Mitte – zumindest, wenn nicht wie jetzt Bauarbeiten auf der Avus laufen. Und nach Potsdam sei es aus Wannsee nur ein Katzensprung. Dies habe nach der deutschen Einheit viel mehr Möglichkeiten eröffnet, freut sich Schwarz: Bei Theatern „habe ich die Wahl zwischen der Schaubühne am Lehniner Platz und dem Potsdamer Hans-Otto-Theater“. Nur in Zehlendorf selbst gebe es „nicht so viel Kultur“. Eine Ausnahme ist sein Lieblingskino „Bali“ am S-Bahnhof Zehlendorf, wo die Betreiberin Helgard Gammert seit 1979 Filmkunst statt Blockbustern zeigt. Bei ihr sah Schwarz zuletzt den Dokumentarfilm „Auf der Suche nach dem perfekten Klang“ über einen Klavierstimmer und war wieder begeistert vom besonderen Programm des kleinen Hauses mit nur 110 Sitzen. Der Kammerpräsident schätzt auch die Dahlemer Museen und das Haus am Waldsee, das seit 1946 ein überregional bekannter Ausstellungsort für internationale Gegenwartskunst ist. Zu den Highlights zählt Schwarz auch den Botanischen Garten in Dahlem und die Naherholungsgebiete rund um die Krumme Lanke und den Schlachtensee. Früher hat er dort gern gebadet und gejoggt, seit dem Umzug nach Wannsee läuft Schwarz seine Runden lieber in der Umgebung des Griebnitzsees. „Genial“ findet er aber weiterhin das beliebte Ausflugslokal Alte Fischerhütte am Schlachtensee, das der umtriebige Gastronom Josef Laggner vor knapp zehn Jahren nach langem Leerstand neu eröffnet hatte. Eine bestimmte Mentalität sieht Schwarz im Berliner Südwesten nicht. Das Klischee einer reichen Luxuswohngegend stimme nur teilweise. „Zehlendorf ist eine klassische Wohngegend und in Teilen auch sehr wohlhabend, aber insgesamt ist die Bevölkerung genauso heterogen wie in anderen Bezirken.“ Erfreulicherweise gebe es „keine abgeschotteten Quartiere“, in denen Reiche unter sich blieben. Außerdem sei Zehlendorf ein wichtiger Wissenschaftsstandort. Bei Dahlem zum Beispiel handele sich nicht nur um ein Villenviertel, als Sitz der Freien Universität sei der Ortsteil auch „sehr studentisch geprägt“.

Wirtschaftlich stehe Zehlendorf gut da, findet der Kammerpräsident. Einen „überproportionalen“ Anteil daran hätten Dienstleistungsbetriebe sowie die vielen Medizintechnikfirmen und andere Unternehmen aus der Gesundheitsbranche. Von Fachleuten der Handwerkskammer höre er viel Lob für den Südwesten: „Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist gut und die mit dem Jobcenter so gut wie in keinem anderen Bezirk.“
Negatives zu Zehlendorf fällt Schwarz selbst nach längerem Nachdenken nicht ein. „Ärgerlich“ findet er zwar, dass gleichzeitig mit der Avus-Sanierung ab Dezember auch die Regionalbahnstrecke für Modernisierungen gesperrt werden soll und der Verkehr in Richtung Innenstadt so doppelt erschwert werde – aber daran sei ja nicht das Bezirksamt schuld. Das größte Streitthema im Südwesten waren zuletzt die Flugrouten des künftigen Flughafens in Schönefeld. Seit den Änderungen bei der Routen habe sich die Aufregung im Südwesten jedoch weitgehend gelegt. Da Schwarz in Wannsee wohnt, wäre er nach der alten Planung vom Fluglärm betroffen gewesen. Trotzdem zählte er nie zu den Kritikern: „Ich will den Großflughafen.“ Cay Dobberke

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