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Wahlen: Fast eine halbe Million Berliner wählt per Brief

Zuhause abzustimmen wird immer beliebter – vor allem bei den Älteren. Bislang wurden 70.000 Unterlagen mehr als bisher beantragt. Laut Statistik profitiert die CDU.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Viele Berliner haben schon gewählt – per Brief. Zur Bundestagswahl 2009 wird ihre Zahl voraussichtlich alle Rekorde brechen. Zwölf Tage vor dem Wahltermin haben 410 121 Wahlberechtigte die notwendigen Unterlagen beantragt. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl sind das fast 70 000 mehr. Alles deutet daraufhin, dass am Wahltag (27. September) jeder vierte Wähler in Berlin sein Kreuzchen längst gemacht hat.

Seit der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990, als lediglich 9,3 Prozent der Wähler ihre Stimme per Post abgaben, ist der Anteil der Briefwähler stetig gewachsen. Das gilt nicht nur für Bundestags-, sondern auch für Europa- und Abgeordnetenhauswahlen. Mit 24,7 Prozent wurde bei der EU-Wahl 2009 die bisher höchste Briefwahlquote erreicht. Zu dieser Entwicklung trägt bei, dass die zunächst sehr zurückhaltenden Wähler im Ostteil Berlins inzwischen gut aufgeholt haben. Nur Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg sind Hochburgen der Urnenwähler geblieben, die erst am Wahltermin ihre Stimme abgeben. Auf der anderen Seite gibt es Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf, deren Briefwählerquote vielleicht schon bei dieser Bundestagswahl die 30-Prozenthürde nimmt.

Was sind das für Menschen, die lieber zuhause im Wohnzimmer oder am Küchentisch das Kreuzchen bei ihrer Partei und ihrem Wahlkreiskandidaten setzen? Die repräsentative Wahlstatistik verrät es: Bei der Bundestagswahl 2005 beantragten in Berlin nur 7,2 Prozent der Jungwähler (unter 21 Jahre), aber 23 Prozent der über 60-jährigen Wahlberechtigten die Briefwahlunterlagen. Das hat Tradition. Seit 1967, als in West-Berlin die Briefwahl eingeführt wurde (mit zehnjähriger Verspätung gegenüber dem Bundesgebiet), nehmen Senioren diese Möglichkeit besonders gern wahr.

Gleichzeitig sagt die Wahlstatistik, dass nur die CDU von den Stimmen der über 60-Jährigen stark profitiert. In dieser Altersgruppe kam die Union in Berlin 2005 auf 30,5 Prozent, bei den Wählern unter 25 Jahren nur auf 12,8 Prozent. Lediglich im Ostteil der Stadt hat auch die Linke bei den Senioren einen kleinen Vorteil. Alle anderen Parteien holen sich die entscheidenden Stimmen bei den jungen oder mittleren Jahrgängen.

Es lässt sich also begründet vermuten, dass eine rege Beteiligung an der Briefwahl in erster Linie der CDU zugute kommt, indem die konservativen älteren Berliner lange vor dem eigentlichen Wahltermin mobilisiert werden. Eine Analyse der Wahlergebnisse 2005 bestätigt dies. Bei den Briefwählern kam die Berliner CDU auf 26,3 Prozent, bei den Urnenwählern nur auf 22 Prozent. Bei SPD, Linken und FDP war es genau andersherum. Das große Interesse an der Briefwahl kommt ihnen nicht zugute. Nur bei den Grünen liegen Brief- und Urnenwähler gleichauf.

Tagesspiegel-Leser beschwerten sich, weil unvollständige Wahlunterlagen zugeschickt wurden. Die blauen Umschläge fehlten. In solchen Fällen hilft das bezirkliche Wahlamt.

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