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Update

Wahlen in Berlin: Die Analysen aus den einzelnen Bezirken

In allen Bezirksverordnetenversammlungen wird die AfD vertreten sein und sieben Stadträte stellen. Die anderen Parteien haben teils erheblich verloren – insbesondere die CDU. 


Unsere Kiez-Analysen zu allen zwölf Berliner Bezirken nach der Wahl am Sonntag. Die AfD stellt insgesamt sieben Stadträte - und zwar in diesen Bezirken: Pankow, Spandau, Neukölln, Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Reinickendorf.

Das Rathaus Lichtenberg. Hier hat die AfD künftig mehr Sitze als die SPD. Nur die Linke ist noch stärker. In Marzahn ist die AfD sogar vorn.
Das Rathaus Lichtenberg. Hier hat die AfD künftig mehr Sitze als die SPD. Nur die Linke ist noch stärker. In Marzahn ist die AfD sogar vorn.

© Kitty Kleist-Heinrich

Tempelhof-Schöneberg

Die SPD wird stärkste Kraft in der BVV. Nach Auszählung aller Wahlbezirke erhielt die SPD 24,6 Prozent der Stimmen und liegt vor den Grünen mit 21,9 Prozent. Die CDU, vor fünf Jahren stärkste Kraft, erreichte nur 21,1 Prozent. Damit beginnt das große Rechnen: Die CDU um ihre Spitzenkandidatin und bisherige Vize-Bürgermeisterin Jutta Kaddatz hat zwölf Sitze.

Mit den Stimmen der Grünen, die 13 Vertreter entsenden, könnte die SPD, 15 Sitze, erneut die Bürgermeisterin stellen. SPD-Spitzenkandidatin Angelika Schöttler könnte sich somit im Amt bestätigen lassen. Seit 2011 gibt es die Zählgemeinschaft mit den Grünen. „

Mit den Grünen ist es in den vergangenen fünf Jahren gut gelaufen. Wir werden aber mit allen, außer der AfD, Gespräche führen“, sagte Schöttler dem Tagesspiegel. Neu in der BVV ist die AfD, die 11,1 Prozent holte und damit sechs Sitze. Für einen Stadtratsposten reichte es nicht. Nach einer Pause ist die FDP, die 6,8 Prozent der Stimmen holte, wieder dabei. Gestärkt ist die Linke mit 8,7 Prozent (plus 5 Prozent).

Neukölln

Erstmals hat sich Franziska Giffey (SPD) als Neuköllner Bezirksbürgermeisterin dem Wählervotum stellen müssen – und fuhr ein Minus von mehr als zwölf Prozent ein. Mit 30,4 Prozent bleibt die SPD aber deutlich stärkste Kraft. Es folgen CDU mit 16,3 und Grüne mit 14,9 Prozent.

Große Gewinner sind die Linken mit 12,2 Prozent sowie die AfD mit 12,7 Prozent, sie stellt einen Stadtrat in Neukölln. Auch die FDP schaffte den Einzug in die BVV mit 4,2 Prozent. Die Suche nach einer Zählgemeinschaft für die SPD dürfte damit mühsam werden.

Die bisherige rot-schwarze Zusammenarbeit wackelt. Denkbar sei ein Bündnis mit Grünen und Linken, sagt Giffey. „Wir werden mit allen großen Parteien Gespräche führen.“ Mit Ausnahme der AfD, wie sie betont. Der rechtskonservativen Partei steht derweil ein Stadtratsposten zu.

Treptow-Köpenick

„Das ist echt ein Hammer“, stöhnte Oliver Igel, der SPD-Bürgermeister von Treptow-Köpenick. Mehr als 20 Prozent holte die AfD in seinem Bezirk. „Das war ja die große Furcht, dass die AfD im Ostteil der Stadt so abschneidet.“ Einen Stadtratsposten bekommt die AfD also. Igel regierte bisher mit einer schwarz-rot-grünen Zählgemeinschaft und müsste jetzt wahrscheinlich auf Rot-Rot-Grün umsteigen – so, wie es wahrscheinlich auch auf Landesebene sein wird.

„Dass die AfD so deutlich über dem Landesdurchschnitt abschneidet, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können“, sagte Igel dem Tagesspiegel. „Bei so hohen Werten kann man auch nicht mehr davon sprechen, dass irgendwelche Randgruppen die AfD wählen.

Das kommt aus der Breite und Tiefe der Gesellschaft.“ Interessant sei, so Igel, dass die AfD so hohe Werte habe, obwohl die Namen auf dem Stimmzettel gänzlich unbekannt seien und die Kandidaten sich nicht gezeigt hätten.

Marzahn-Hellersdorf

Die Berlin-Wahl hat die politische Landschaft in Marzahn-Hellersdorf verändert. Die AfD erzielte im Nordosten ein viel stärkeres Ergebnis als erwartet und bekommt auch einen Stadtrat. Nach Auszählung aller 182 Wahlbezirke lag sie an zweiter Stelle hinter der Linkspartei: 23,2 Prozent zu 26,0 Prozent.

Die stärkste Fraktion erhält zwei Stadtratsposten. „Das Ganze ist ein katastrophales Ergebnis“, sagte Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD) in einer ersten Reaktion. „Das wird den Bezirk weit zurückwerfen.“ Er hatte in den letzten Jahren im Bezirksamt mit Linken und CDU viel dafür getan, Marzahn-Hellersdorf als modernen Bezirk zu positionieren, der wirtschaftlich wächst.

Kurz vor der IGA 2017 ist nun das mühsam aufgebaute Image wieder gefährdet. Die SPD lag lediglich bei 18,3 Prozent und damit nur noch knapp vor der CDU mit 17,2 Prozent. Die Grünen sackten geringfügig auf 4,6 Prozent ab. Die FDP kehrte nicht in die BVV zurück. Alles läuft auf Dagmar Pohle von den Linken als neue Bürgermeisterin hinaus – möglicherweise unterstützt nicht nur von SPD und Grünen, sondern auch von der CDU.

Lichtenberg

In Lichtenberg hat die Linke erneut die meisten Stimmen bekommen. 34 Prozent waren es 2011, jetzt sind es rund 30 Prozent. Denkbar ist, dass Evrim Sommer Bürgermeisterin wird. Denn für die Zählgemeinschaft aus SPD, CDU und Grünen, die der Linken den Posten streitig machte, reicht es nicht mehr. Sowohl die SPD wie auch die CDU hatten Interesse bekundet, die Kooperation fortzuführen. Allerdings waren sich die Grünen am Wahlabend nicht sicher, wie deren Spitzenkandidatin Camilla Schuler sagte.

Den größten Stimmenzuwachs erreichte die AfD, sie erhielt 19,2 Prozent. Sie hat damit Anspruch auf einen Stadtratsposten. Ob der Kandidat gewählt wird, ist eine andere Frage. Sowohl bei der SPD als bei den Grünen hieß es: „Wir werden keinen AfD-Stadtrat wählen.“ CDU-Baustadtrat Winfried Nünthel formulierte es anders. „Wir müssen keinen Kandidaten einer anderen Partei wählen.“ Es liege am Geschick der AfD, ihre Leute durchzusetzen.

Man wolle sich das Personal und dessen Ansichten genauer ansehen. „Warten wir erst mal ab, was da kommt.“ Karsten Woldeit, Spitzenkandidat der AfD für die BVV, gibt sich gelassen. „Das ist Frust, der ist nachvollziehbar.“ Die AfD werde durchaus die Stadträte der anderen Parteien wählen.

Reinickendorf

Die BVV in Reinickendorf wird bunter: mit den Neuzugängen AfD, FDP und Linken. Auch wenn es Verluste für die CDU gab, die auf 35,6 Prozent kam (minus sechs) – Frank Balzer dürfte Bürgermeister bleiben, braucht aber zur Wiederwahl einen Partner.

Reichen würde es beispielsweise mit der SPD, die 6,1 Punkte verlor und auf 21,4 Prozent kam. Drittstärkste Kraft wird die AfD mit 14,4 Prozent und erhält einen Stadtratsposten. Es folgen die Grünen mit 10,4, die FDP mit 6,6 und die Linke mit 5,4 Prozent.

Mitte

In Mitte lagen Grüne und SPD lange gleichauf, aber kurz bevor alle Wahlkreise ausgezählt waren, gingen die Grünen in Führung – für eine grün-rote Zählgemeinschaft fehlt aber ein Sitz. Bürgermeister Christian Hanke (SPD), der bisher eine Zählgemeinschaft mit der CDU bildete, hatte zuvor noch auf einen Sinneswandel bei den Grünen gehofft.

„Die Grünen haben eine Zählgemeinschaft mit uns schon zwei Mal abgelehnt. Ich hoffe sehr, dass sie in dieser Legislatur eine andere Position einnehmen“ – das erklärte er aber, bevor die Grünen auf einmal stärker wurden, anschließend war er nicht mehr erreichbar.

Die AfD hat keine Aussicht auf einen Stadtratsposten, die Linke zog wie die Grünen an der CDU vorbei und wurde drittstärkste Kraft. Mitte ist übrigens einer von zwei Bezirken, in denen die Piraten weiterhin in der BVV vertreten sein werden.

Friedrichshain-Kreuzberg

Sein Geburtstag fiel auf den Wahltag und die Wähler haben Knut Mildner-Spindler großzügig beschenkt: Die Linke legte mit dem Spitzenkandidaten deutlich zu und wurde zweitstärkste Kraft. Das Traumergebnis für den Sozialstadtrat kommentierte der gewohnt nüchtern: „Wir freuen uns über die Bestätigung unserer Arbeit.“

Gut möglich, dass die Linke nun einen zweiten Stadtrat stellt und die Grünen einen von dreien verlieren, denn die Partei von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann büßte Stimmen ein – die Sozialdemokraten übrigens noch stärker. Erwartet hatte das so niemand.  Sie sei trotzdem zufrieden, sagte Herrmann.

Denn: „Friedrichshain-Kreuzberg wird weiter ein linker Bezirk sein, in dem linke Politik gemacht wird.“ Dennoch zog die AfD in die BVV ein, wenn auch mit einem deutlich niedrigeren Ergebnis als im Berliner Durchschnitt. Die Piraten bleiben trotz sehr großer Verluste drin – sie landeten knapp vor der Satirepartei „Die Partei“, die ebenfalls in die BVV einzieht. ball

Pankow

Im Pankower Rathaus könnte es einen Machtwechsel geben. Der bisherige Amtsinhaber Matthias Köhne (SPD) war nicht mehr angetreten. Die junge SPD-Spitzenkandidatin Rona Tietje, die ins Rennen ging, hatte nicht einmal in den eigenen Reihen volle Unterstützung.

Und auch im Wahlkampf konnte die 34-Jährige nicht immer überzeugen – vor allem im direkten Vergleich mit ihrem grünen Konkurrenten Jens-Holger Kirchner. Lachender Dritter könnte Sören Benn von der Linkspartei sein – die wurde stärkste Kraft. Entscheidend wird nun sein, welche Zählgemeinschaft sich zusammenfindet. Linke und Grüne haben die besten Chancen. Die AfD erreichte sogar mehr Stimmen als die CDU. Einen Stadtratsposten haben die Rechtspopulisten damit sicher. Die Piraten sind in der Pankower BVV nicht mehr vertreten, dafür aber die FDP.

Charlottenburg-Wilmersdorf

Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) zeigte sich erleichtert über das „unterdurchschnittliche Ergebnis“ der AfD, die keinen Anspruch auf einen Stadtratsposten im Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat. „Die City West hat klug gewählt“, fand Naumann.

Er bleibt voraussichtlich Rathaus-Chef, denn die SPD ist die stärkste Partei und will ihre seit 15 Jahren bestehende Zählgemeinschaft mit den Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung fortsetzen. Allerdings hat Rot-Grün die eigene Mehrheit verloren und braucht für Naumanns Wiederwahl wohl drei Stimmen von anderen Verordneten. Im Bezirksamt stellen SPD und CDU weiterhin je zwei Stadträte und die Grünen einen. Die Linken haben ihr Ziel erreicht, in Fraktionsstärke in die BVV zu kommen, nachdem sie in der letzten Wahlperiode nur zwei Sitze gewonnen hatten.

Die FDP kehrt in die BVV zurück, und die AfD kommt neu hinzu. Keinen Sitz errang dagegen die erst im Frühjahr von Kleingärtnern und Vertretern von Bürgerinitiativen gegründete Wählergemeinschaft „Aktive Bürger für Charlottenburg-Wilmersdorf“.

Spandau

Helmut Kleebank wird Bürgermeister in Spandau bleiben. Die Sozialdemokraten haben bei den Wahlen zur Bezirksverordnetenversammlung die CDU als stärkste Partei mit deutlichem Vorsprung ablösen können. 1,4 Prozent verloren die Genossen, das hielt sich in Grenzen – vor allem im Gegensatz zur CDU, die um elf Prozent einbrach.

Beide Parteien stellen künftig zwei Stadträte. Neue drittstärkste Kraft ist die AfD, die künftig eines der fünf Bezirksamtsmitglieder, also einen Stadtrat, stellen wird. Er sei „sehr stolz“, dass man das Ergebnis der vergangenen Wahl fast halten konnte, sagte Kleebank.

Erschüttert zeigte er sich über das starke Ergebnis der AfD. Für die von ihm angestrebte rot-grüne Mehrheitskoalition wird es nicht reichen. Die Grünen büßten etwas ein, die Linken legten dagegen leicht zu. Ob es deshalb auf ein rot-rot-grünes Bündnis hinauslaufe, sei abzuwarten, sagte Kleebank dem Tagesspiegel.

Steglitz-Zehlendorf

Seit 45 Jahren regiert die CDU in Steglitz-Zehlendorf. Diesmal hat sie aber ein „verheerendes Ergebnis“ eingefahren, so der noch amtierende Bürgermeister Norbert Kopp: minus elf Prozent. Er führte das Ergebnis auf die Personalpolitik der Bezirks-CDU zurück – Kreischef Heilmann hatte seine Wunschkandidatin Cerstin Richter-Kotowski als Spitzenkandidatin durchgesetzt.

Auch Richter-Kotowski selbst bezeichnet das Ergebnis als „herben Verlust“.

Sie wolle aber die schwarz-grüne Zählgemeinschaft fortsetzen und sich noch zusätzliche Unterstützung holen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD schließt sie aus. Das Ergebnis der SPD blieb konstant, die FDP kehrt mit fast zehn Prozent in die BVV zurück. Zwei Stadträte stellen SPD und CDU, einen die Grünen, die ein ähnliches Ergebnis wie 2011 geholt haben. Spitzenkandidatin Maren Schellenberg: „Die Hundedebatte haben viele Bürgerinnen und Bürger kontrovers gesehen, aber eben viele auch positiv.“

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