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Auch im KZ Dachau kam es zur Zwangsprostitution von weiblichen Häftlingen.

© dpa

Wanderpräsentation über Lagerbordelle: Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern

Während der Kriegsjahre von 1942 bis 1945 wurden in NS-Konzentrationslagern weibliche Häftlinge von der SS für Lagerbordelle eingesetzt. Eine Ausstellung im Parlament dokumentiert nun die Sex-Zwangsarbeit.

Blumentöpfe am Fenster, ein milchiges Rollo, Bilder an einer Bretterwand, Decken auf der Liege. Die karge Gemütlichkeit des schmalen Sonderbarackenraums in Buchenwald wirkt auf dem Foto unspektakulär. Der Spion in der Tür bleibt unsichtbar. „Lagerbordelle. Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern“ lautet der Titel einer von der Gedenkstätte Sachsenhausen entwickelten Wanderpräsentation, die am Donnerstag um 17 Uhr im Abgeordnetenhaus eröffnet wird. Vitrinen mit Dokumenten, Text-Foto-Stelen, Hörstationen. Keine Gesichter: Wer sich auf die Erzählung und das spröde Material einlässt, muss von dem Herrschaftssystem, um das es hier geht, eine Vorstellung entwickeln.

Während der Kriegsjahre 1942 bis 1945 wurden in den KZ Auschwitz, Ravensbrück, Neuengamme, Sachsenhausen, Mittelbau-Dora, Buchenwald, Flossenbürg, Dachau, Gusen und Mauthausen rund 200 weibliche Häftlinge von der SS für Lagerbordelle eingesetzt. Die meisten kamen aus Ravensbrück, waren deutscher Herkunft und als „asozial“ inhaftiert, manche zuvor als Prostituierte tätig gewesen; einige kamen aus Polen und der Ukraine.

Die Frauen erhielten besseres Essen. Schufterei und schlimmste Schikanen nicht-sexueller Natur entfielen für sie, dafür wurden sie zur Prostitution gezwungen. Über Tag hatten sie Haushaltsarbeit für die SS zu verrichten. Fast alle überlebten die Lagerzeit. Im Schwangerschaftsfall wurden sie zur Abtreibung ins Frauen-KZ zurückgebracht. Kunden waren ausschließlich „Funktionshäftlinge“, die in der KZ-Hierarchie oben standen, vor allem aber gute Arbeiter, deren Leistung prämiert werden sollte. In Flossenbürg gehörten auch ukrainische Wachmänner zu den Gästen. Häftlinge mussten Bordell-Anträge per Formblatt stellen, für 15 Minuten zwei Reichsmark zahlen. Viele waren zum Sex physisch nicht in der Lage, sie sprachen nur mit der Frau. Manche verliebten sich, bestachen andere, die „ihre“ nicht zu besuchen.

Namentliche Besucher- sowie Abrechnungslisten der SS, die abends kassierte, sind erhalten. Doch trotz ergiebiger Quellenlage wurde das Thema von den meisten Opfern verschwiegen, aus Scham. In Mauthausen hat jüngst ein Sturm die Sonderbaracke zerstört; in Auschwitz ist das Bordell neben dem Schild „Arbeit macht frei“ zu sehen. In Gusen bei Linz wurde es zum Wohnhaus umgebaut.

Nur für ein Prozent aller Häftlinge stand das KZ-Bordell offen. Ein Detail-Thema also, das zugleich drastisch die perverse ökonomische Rationalität des Terror-Programms dokumentiert. Dies Prämiensystem wurde vom SS-Chef Himmler und von der Industrie, die Sklaven brauchte, angeregt. Dass es dem totalitären Apparat so gelang, seine Gefangenen in der Hackordnung des Überlebens gegeneinander auszuspielen, ist eine der grausamen Lektionen der Ausstellung.

Berliner Abgeordnetenhaus, Niederkirchner Str. 5, bis 2.5., Mo–Fr, 9–18 Uhr

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