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Berlin: War es Betrug oder der Neid der Konkurrenz?

Prozess um Dolmetscher-Affäre: Angeklagte bestreiten die Vorwürfe

Gute und qualifizierte Dolmetscher seien schwer zu finden, sagte der Hauptangeklagte. „Ich bin in Berlin der Dolmetscher mit den meisten Erfahrungen bei Telefonüberwachungen“, erklärte Kemal E. selbstbewusst den Richtern. Doch ein Betrüger, der mit falschen Abrechnungen jahrelang das Landeskriminalamt (LKA) betrog, sei er nicht. Er habe nicht mehr Arbeitsstunden abgerechnet als geleistet, beteuerte der 53-Jährige gestern im Prozess um die so genannte Dolmetscheraffäre im LKA. Nur formal sei es zu Unkorrektheiten gekommen.

Gemeinsam mit Kemal E. sitzen zwei weitere Dolmetscher und drei Rauschgiftfahnder, darunter ein früherer Kommissariatsleiter, auf der Anklagebank. Laut Anklage sollen zwei der inzwischen vom Dienst suspendierten Beamten zwischen 1998 und 2002 fingierte Rechnungen des Türkisch-Dolmetschers E. wider besseres Wissen als „sachlich richtig“ abgezeichnet haben, ihr Vorgesetzter nahm den Ermittlungen zufolge keine Prüfungen vor. Kemal E., der nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft insgesamt rund 440 000 Euro durch Falschabrechnungen ergaunerte, soll sich bei zwei Kommissaren mit einer Reise nach Chicago, bei dem dritten nach Prag und Kitzbühel revanchiert haben.

Auch die Polizisten, denen Bestechlichkeit und Beihilfe zum Betrug zur Last gelegt wird, bestritten die Vorwürfe. Der Dolmetscher habe die Abrechnungen zu den Übersetzungsarbeiten und An- und Abfahrten stets zeitlich verzögert und dann im Stapel eingereicht. „Wir hatten gar nicht die Zeit, jede einzelne Rechnung zu kontrollieren“, sagte der 34-jährige Andreas R. Und man habe Kemal E., der jahrelang fürs LKA gearbeitet hat, vertraut. Die Reise zu einem Basketballspiel nach Chicago habe der Übersetzer zwar vorfinanziert. „Aber ich habe ihm die 2100 Mark später in bar zurückgezahlt“. Auch Jörg G., der ebenfalls im März 1998 mit nach Chicago geflogen war, will in seine Spardose gegriffen und die Reise aus eigenen Mitteln bezahlt haben.

Die Affäre soll mit gut 70 Computern begonnen haben, die Kemal E. Mitte der 90er Jahre dem LKA gesponsert hatte. Danach soll er für sich oder seine mitangeklagte Ehefrau überhöhte Rechnungen für das Übersetzen von Telefonüberwachungen ausgestellt und für Zeiten kassiert haben, in denen er gar nicht in Berlin war. „Es ist zu klären, ob die Beamten dem Dolmetscher nur blind vertraut haben oder ob sie es in Kauf genommen haben, überhöhte Rechnungen abzuzeichnen“, sagte die Staatsanwältin. Für die Verteidiger ist der Fall klar. Nur Neid eines Dolmetschers, der nicht so gut im Geschäft war, habe zu den Vorwürfen geführt.

Kerstin Gehrke

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