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Berlin: Warmer Platz gegen die tödliche Kälte

Jede Nacht sammelt der Kältebus Obdachlose ein

Jede Nacht sammelt der Kältebus Obdachlose ein Unter den Schuhen der beiden Männer kracht der gefrorene Schnee. Um vier Uhr morgens bewegt sich hier nichts. Christoph Rottmann und Paul-Hartwig Bulitta haben den Kältebus am Charlottenburger Hohenzollernkanal geparkt und laufen am Uferstreifen entlang. Mit Taschenlampen leuchten sie zwischen die Büsche. Eine Anwohnerin hatte gemeldet: Hier übernachtet regelmäßig ein Obdachloser.

Es ist minus 17 Grad, der Himmel sternenklar. Der 27-jährige Rottmann fährt seit zwei Jahren an fünf Tagen den Kältebus. Sein 52-jähriger Mitfahrer, sonst in einer Beratungsstelle für Wohnungslose tätig, sitzt mit Stadtplan und Handy auf dem Beifahrersitz. Im Laufe einer Nacht fährt der Bus kreuz und quer durch die Stadt.

Eben noch war er tief im Osten: Zwei alte Bekannte sind in der S-Bahn eingeschlafen und erst an der Endstation Hoppegarten von Polizisten geweckt worden. „Hallo Josch, hallo Ricky“, begrüßt Christoph Rottmann die beiden. Sie schwanken, ihre Haut ist narbig, die Haare wirr. Kaum sitzen sie, zieht Urin- und Alkoholgeruch durch den Bus. Josch will auf der Fahrt zur Notunterkunft Lehrter Straße rauchen. „Nee“, sagt Christoph, „im Bus wird nie geraucht. Sonst stinkt es hier .“

Die Stadtmission hat die ganze Nacht geöffnet. Bevor es reingeht, nehmen Josch und Ricky noch einen Schluck aus der Flasche. Sie kennen die Regeln: Alkohol, Drogen und Waffen sind verboten. Dafür gibt es warme Suppe, eine Dusche, eine Ärztin und einen Schlafplatz. „Ist’n richtiges Zuhause geworden“, brummt Ricky.

Die Obdachlosen nennen den 27-Jährigen Fahrer „Locke“. Sie vertrauen ihm, weil er regelmäßig zu ihren Schlupflöchern kommt, ihnen Tee und Decken bringt. Wenn er ein paar Tage nicht vorbeischaut, beschweren sie sich. Rottmann studiert im Fernstudium Theologie. Seine Frau, erzählt er, habe Verständnis, aber manchmal sei sie doch eifersüchtig auf die Mission.

Am zugefrorenen Hohenzollernkanal haben sie ein aufgebocktes, dick in Plastikplane verpacktes Boot gefunden. Sie wissen: So etwas ist ein idealer Schlupfwinkel. „Hallo, wir sind von der Kältemission. Hören Sie mich?“ Das Paket bleibt still. Die Männer laufen um das Boot herum und rufen immer wieder. Endlich kommt aus dem Inneren eine Männerstimme: Er brauche nichts, er wolle seine Ruhe. Auch Tee oder eine Decke werden abgelehnt. „Wir können die Leute nicht zwingen.“ Christoph zuckt mit den Schultern. Auch von einem im Spandauer Forst campierenden Mann und einem Obdachlosen, der sich unter einer Brücke verkrochen hat, wird ihr Angebot ausgeschlagen. Doch von nun an wird der Kältebus die drei Orte in seine Tour aufnehmen. Vielleicht kommen sie irgendwann doch mit.

Der Kältebus nimmt Hinweise unter (0178) 5235838 entgegen

Anne-dore Krohn

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