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Berlin: Warmer Winter: Frühlingshafte Temperaturen bringen die Flora in Wallung

Man könnte meinen, die Natur spielt verrückt. Im Garten von Förster Günter Ruthenberg blühen Kletterrosen.

Man könnte meinen, die Natur spielt verrückt. Im Garten von Förster Günter Ruthenberg blühen Kletterrosen. Und das im Dezember, wo die Natur in anderen Jahren schon von einer dicken Schneeschicht verdeckt wird. Milde Temperaturen und sonnige Tage halten die Flora derzeit vielerorts zur Unzeit am Leben. Im Forst am Schildhorn leuchten die gelben Blüten einer Mehligen Königskerze. "Das ist für diese Jahreszeit ungewöhnlich", stellt Ruthenberg fest. Auch Weichhölzer wie Weiden und Pappeln stünden noch im Saft. Obwohl bei ihnen langsam Winterruhe einkehren müsste, sind die Knospen feucht-grün statt trocken-holzig. Immerhin haben Birken und viele Eichen inzwischen ihr Laub abgeworfen, zumindest die Birken waren zu spät dran.

Auf Balkons der Stadt sollen noch rot blühende Geranien gesichtet worden sein, im Britzer Garten zeigen Primeln, Zierkirschen, Quitten, Rosen und Forsythien Frühlingspracht. Mit Rekordtemperaturen brachte der November die Flora in Wallung. Der Monat war mit durchschnittlich 6,3 Grad knapp zwei Grad zu warm. Das frühlingshafte Wetter hat sich in den ersten Dezembertagen fortgesetzt: Vier bis fünf Grad am Tage sind nach Angaben von Meteofax im Dezember normal, sieben bis neun Grad waren es. Zudem schien die Sonne ungewöhnlich lange: 15,5 Stunden allein in den ersten fünf Tagen.

Die Witterung bringt offenbar die innere Uhr einiger Pflanzen durcheinander. Statt ein Schutzschild und Nährstoffreserven gegen die Kälte zu bilden, geht der Stoffwechsel munter weiter. Schäden für die Natur sind nach Angaben von Holger-Ulrich Schmidt, Leiter des Berliner Pflanzenschutzamtes, "nicht auszuschließen". Ein plötzlicher Wintereinbruch mit Frost kann ungeschützte Knospen kaputt machen. Bei einem weiterhin milden Wetter verbrauchten vorzeitig blühende Pflanzen Reserven, die ihnen im Frühjahr nicht mehr zur Verfügung ständen. "Bei Blütengehölzen, die jetzt blühen, ist zu befürchten, dass sie im nächsten Jahr nicht mehr ihre volle Pracht entfalten". Dabei habe die Vegetation bereits unter dem trocken-heißen Frühjahr zu leiden gehabt, sagte Schmidt.

Kaum Ungewöhnliches verzeichnet merkwürdigerweise der Botanische Garten. Allenfalls der Schneeballstrauch, ein Winterblüher, hat dort in diesem Jahr etwas früher seine rosaroten Blüten ausgefahren. Die Kapuzinerkresse steht noch - ein Hinweis darauf, dass es noch keinen Frost gegeben hat. Von verschobenen Vegetationsphasen zu sprechen, halte er für übertrieben, sagte Botaniker Burghard Hein. Die etwa 20 000 verschiedenen Pflanzen des Gartens entwickelten sich "mit ein paar Ausnahmen durchaus im Rahmen des Üblichen".

Von anderer Seite ist zu hören, dass auch die Tierwelt wacher ist als sonst im Spätherbst. Die Wärme bringe Tiere "eher in Frühlingsstimmung", heißt es von der Berliner Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft. Amseln, Rotkehlchen und Meisen schwirrten in dieser Jahreszeit gewöhnlich auf Nahrungssuche um seine Revierstation, sagte Förster Ruthenberg. Zurzeit fänden sie offenbar noch genug Insekten im Wald. Ruthenberg hat unlängst Mücken in seinem Haus entdeckt und sein Hund "Bronko", den eigentlich die Wintermüdigkeit gepackt haben müsste, tollte gestern vergnügt im Garten.

Tobias Arbinger

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