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Berlin: Warten auf die Bomben

Zwei Berliner Kriegsgegner harren in Bagdad aus und wollen im Krieg in einer Klinik helfen

Am Schluss konnten weder die Argumente der politischen Mitstreiter die zwei Männer von ihrem Entschluss abbringen, noch die Sorge um Freundinnen und Kinder daheim in Berlin: Die beiden Friedensaktivisten Fred Klinger und Reinhold Waßmann haben die wohl letzte Möglichkeit verstreichen lassen, die irakische Hauptstadt vor dem Krieg zu verlassen. Sie wollen trotz der drohenden Bombardements durch US-Truppen in Bagdad ausharren und in einem Krankenhaus helfen. Das berichtete am Mittwoch der Student Maik Neudorf, der mit den beiden Männern und zwei anderen Kriegsgegnern vergangene Woche nach Bagdad gereist war. Dort wollten sie als „lebende Schutzschilde“ den drohenden Krieg abwenden helfen. Nachdem am Wochenende auch die letzten internationalen Vermittlungsversuche gescheitert waren, verließen Maik Neudorf und zwei Gruppenmitglieder Bagdad. „Wir haben noch versucht, die beiden anderen von ihrem Entschluss abzubringen – ohne Erfolg“, sagt der 25-jährige Neudorf. Obwohl beide Familie und Freunde in Berlin hätten, habe die „Solidarität mit der Bevölkerung in Bagdad“ überwogen.

Reinhold Waßmann (53) arbeitet als Laborleiter am Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität. Er hat nach Auskunft von Maik Neudorf zwei erwachsene Kinder und eine Partnerin in Berlin. Fred Klinger (52) ist katholischer Pfarrer und hat ein Kind. „Die beiden sehen sich nicht als Märtyrer, sondern hoffen, dass der Krieg gestoppt werden kann“, sagt Maik Neudorf. Ihren ursprünglichen Plan, sich als „menschliche Schutzschilde“ anzubieten, hatten die Fünf schon am Tag ihrer Ankunft aufgegeben, da die irakische Regierung ihnen vorschreiben wollte, welchen strategisch wichtigen Gebäuden sie zugeteilt würden. Stattdessen ließen sie sich von der deutschen Botschaft ein Krankenhaus empfehlen, das humanitäre Unterstützung gebrauchen könnte. Reinhold Waßmann und Fred Klinger fragten, ob sie im Kriegsfall Geräte reparieren oder seelischen Beistand geben können. „Als die Ärzte dankbar auf das Angebot reagierten, war klar, dass die beiden dort bleiben werden“, sagt Neudorf. „Auch mir ist es schwer gefallen, die Stadt wieder zu verlassen, nachdem ich auf der Säuglingsstation 20 frisch geborene Kinder gesehen habe und dachte: Die werden wohl bald alle sterben.“

Seit Montag ist Maik Neudorf wieder in Berlin. Hier organisiert er zusammen mit Kommilitonen von der Humboldt-Universität Demonstrationen für den „Tag X“. Am Dienstag hat er zum letzten Mal per E-Mail von den beiden Berlinern in Bagdad gehört. Sie sitzen in ihrem Hotelzimmer, schauen sich die Stadt an – und warten, dass die Bombenangriffe beginnen.

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