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Was in Berlin im Sommer los war, erfahren Sie hier.

© dpa

Was in Berlin geschah: Liebe Ferienheimkehrer, das haben Sie verpasst!

Kennedy-Jubiläum, BER-Wirrwarr, Streit um einen Park und ein Kanzlerkandidat auf WG-Besuch: Wer zum Ende der Sommerferien aus dem Urlaub zurückkommt, hat einiges verpasst. Aber keine Sorge - nach diesem Text können Sie wieder mitreden.

Die alte Autorenregel „Mit einem Erdbeben anfangen und dann langsam steigern“ kann hier leider nicht zur Anwendung kommen. Denn welche Steigerung hätten diese Berliner Ferien nach der medialen Urgewalt des Obama-Besuchs schon noch bieten sollen? Ja, da war der Krankenhausaufenthalt Matthias Platzecks, der mit einem „leichten Schlaganfall“ begründet wurde – doch die politische Brisanz dieses Vorgangs erschloss sich Außenstehenden erst Wochen später. Davon abgesehen ließen sich die frühen Schulferien ruhig an – dieser Bericht soll dem Rückkehrer die Frage beantworten, ob er dennoch etwas verpasst hat.

Zunächst wird routiniert abgefeiert, 50 Jahre Kennedy-Besuch, Christopher Street Day; auch die alljährliche Totalblockade wichtiger Hauptverkehrsstraßen und Bahnstrecken zum Zwecke der Sanierung beginnt mit der üblichen Präzision. Der Senat muss noch klar Schiff machen, berät den Doppelhaushalt und erfindet das Begrüßungsgeld von 100 Euro für Studenten, die hier ihren ersten Wohnsitz nehmen und damit Geld aus dem Länderfinanzausgleich bringen.

Irgendwas ist immer beim Flughafen BER, diesmal aber nur Formales: Chef Hartmut Mehdorn geht per Beschwerde gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vor, das eine Revision gegen sein teures Schallschutz-Urteil nicht zulassen wollte. Gleichzeitig bringt die angekündigte Schließung des Helmholtz-Reaktors in Wannsee von anderer Seite her Bewegung in die Flugrouten-Debatte – Ende offen. Auch andere Gerichte haben noch zu tun: Das Landgericht verurteilt den 38-jährigen Grundschulreferendar Dirk P., den „Darkroom-Mörder“, zur Höchststrafe: Lebenslang ohne Chance auf vorzeitige Entlassung.

Am 28. Juni erwischt die Polizei einen schwarzen Tag. Einer ihrer Leute erschießt am Neptunbrunnen einen 31-jährigen, offenbar geistesgestörten Mann, der mit einem Messer auf ihn losgegangen war. Eine Debatte über die Einsatztaktik folgt. Einen Tag später stirbt ein 15-jähriger Kalifornier, der betrunken aus dem dritten Stock des Hotels Bogota in Charlottenburg gefallen war.

In Brandenburg, vor allem im Spreewald, zittern Wirte und Hoteliers auch nach dem Ende der großen Flut: Die Gäste bleiben aus, weil sie der irrigen Ansicht sind, dort stehe immer noch alles unter Wasser. Und Mehdorn, ohnehin nicht so der Urlaubs-Typ, denkt laut darüber nach, ob man den neuen Flughafen nicht im laufenden Jahr wenigstens ein bisschen öffnen könne – dann eröffnet er am 3. Juli immerhin wirklich etwas, nämlich das neue Luftfrachtzentrum.

Unterdessen zerlegt Nidal R. („Mahmoud“) wieder mal ohne Führerschein und stark angeheitert seinen Porsche sowie sechs andere Autos. Hinterher wird er nach Hause geschickt, und alle zuständigen Institutionen versichern reihum, dass man da halt nichts machen könne. Aber plötzlich ist doch ein Haftbefehl da, und Nidal R. wird aufgespürt – in Mannheim. Er habe offenbar vorgehabt, sich mit falschen Papieren ins Ausland abzusetzen, heißt es. Zu dumm eigentlich, sind doch alle amtlichen Versuche gescheitert, andere Länder zur Aufnahme zu bewegen. Entschlossener gehen die Behörden gegen zwei Rockergruppen vor, die nach Großrazzien in Berlin, Brandenburg und Sachsen verboten werden.

Während der gesamten Ferienzeit schwelen andere Probleme wie das Flüchtlingscamp am Oranienplatz, es rumort unter den Nachbarn des Görlitzer Parks, wo immer mehr Dealer die Vollversorgung der Kundschaft übernehmen. Da und dort werden auch Geldautomaten gesprengt, eine Art der Eigenkapitalbeschaffung, die immer populärer wird. Die Debatte über die ganz großen Berliner Gebäude mäandert so durch die Institutionen: Soll die neue Landesbibliothek nach Tempelhof oder ins ICC – oder nirgendwo hin, wenn die CDU das ICC nicht länger als Geisel nimmt und damit der SPD den Verzicht auf die kostspielige Bücherei abkauft?

Am 9. Juli gibt es schon wieder Alarm am Neptunbrunnen: Ein 48-jähriger Mann aus Ghana wird von zwei polnischen Obdachlosen so brutal zusammengeschlagen, dass Lebensgefahr besteht – offenbar aus rassistischen Motiven. Die Nachwehen des Hochwassers lenken den Blick auf eine interessante, bisher komplett übersehene Minderheit: Die in Wolfsburg arbeitenden Pendler, die nun wegen der beschädigten Bahnstrecke einen riesigen Umweg fahren müssen.

Gute Nachrichten kommen von einer anderen Baustelle: Der Eichenprozessionsspinner ist in Stadt und Umland Geschichte, gemeuchelt von einem offenbar höchst wirksamen Biozid. Zwei anderen Tieren geht es dagegen glänzend: Es handelt sich um Nebelparder-Jungtiere, die im Tierpark von SPD-Fraktionschef Raed Saleh höchstpersönlich gestreichelt werden. Der berühmte Integrationsexperte Bushido hetzt in einem neuen Rap-Video gegen Klaus Wowereit, fantasiert über die Ermordung Claudia Roths – die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Am 13.Juli vermiesen Gegendemonstranten der NPD die Lust an gleich fünf Aufmärschen. Auf dem Flughafen Tegel findet am selben Tag eine Notfallübung statt: Feuer! Dabei stellt sich heraus, dass die Flughafenfeuerwehr keinen Kontakt zum Digitalfunk der städtischen Kollegen hat – möglicherweise kann man sich ja im Ernstfall Postkarten schicken? Die Zukunft des Geländes in Tegel ist auch nicht so rosig: Vier potenzielle Investoren haben sich schon vom Hof gemacht.

In der Nacht zum 21. Juli brennt am Kottbusser Tor der „Festsaal Kreuzberg“ ab, der zwölfstündige Kampf der Feuerwehr um den Veranstaltungsort ist vergebens, immerhin gibt es nur ein paar Leichtverletzte. Ursache: wird ermittelt. Die Stadt tröstet sich derweil mit einem Loblied des Londoner Bürgermeisters Boris Johnson, das einer Bewerbung für die Wowereit-Nachfolge nahekommt. Allerdings lassen sich kaum Belege finden für Johnsons Behauptung, Berlins größtes Problem sei derzeit der öffentliche Geschlechtsverkehr in den Grünanlagen.

Ende Juli läuft die Politmaschinerie langsam wieder hoch, ganz unsexy: Hauptstreitpunkt der kommenden Monate wird der Volksentscheid für ein kommunales Stadtwerk sein, an dem die Koalitionsparteien heftig herumeiern. Auch im Zoo knirscht es: Vize Gabriele Thöne wirft hin – das Motiv bleibt hinter Floskeln verborgen, muss aber wohl mit der rustikalen Stilistik ihres Chefs Bernhard Blaskiewitz zu tun haben. Zum 28. Juli wird es heiß, wenngleich nicht so heiß wie befürchtet, aber die Berliner Impulsivität scheint angenehm gebremst.

Dann kehrt Matthias Platzeck ins Amt zurück – und schockt seine Partei mit der Ankündigung des Rücktritts zum 31. August. Weniger öffentlich besucht SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück auf Einladung eine Kreuzberger WG, legt dort die Grundzüge seiner Politik dar und trinkt ein Bier. Dann ist es auch schon August, es wird wieder ein bisschen heißer. Und die Stadt nimmt hitzefrei, bevor die Ferien endgültig zu Ende sind.

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