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Was machen wir heute?: Einen Hau wegkriegen

Das Restrisiko lauert meistens da, wo man es nicht erwartet. Ich stehe neben Christoph auf dem Spielplatz an der Grimmstraße.

Das Restrisiko lauert meistens da, wo man es nicht erwartet. Ich stehe neben Christoph auf dem Spielplatz an der Grimmstraße. Unsere Frauen haben sich bei der Rückbildungsgymnastik kennen gelernt, damals lagen unsere Töchter noch ganz ungefährlich neben ihnen auf der Matte. Als ich die achtjährigen Mädchen jetzt erblicke, hocken sie in fünf Metern Höhe auf dem Dach der Rutsche. „Emma, kommt da sofort runter“, rufe ich, „ihr könnt von da oben in den Tod stürzen.“ Christoph legt die Hand auf meine Schulter und lächelt milde. „Jetzt mach dich mal locker“, sagt er. „Die fallen da schon nicht runter.“ Ich kann gar nicht hinsehen. Zur Beruhigung muss ich mich erst mal selbst gefährden – und zünde mir eine Zigarette an. „Als Kreuzberger Vater musst du echt ein bisschen cooler sein“, meint Christoph.

Er hat recht. Die Mädchen meistern den Abstieg völlig sicher. Das Unglück kommt wenige Tage später. Es ereilt uns aus heiterem Himmel und ereignet sich zu ebener Erde. Wir sitzen im Restaurant und warten aufs Essen, als unsere vierjährige Tochter Greta schreiend hereingerannt kommt. Unterm Kinn tropft Blut aus einer klaffenden Wunde. Sie sei hingefallen und habe sich an einer Holzbank gestoßen, erzählt Emma. Der Wirt bringt einen Verbandskasten. „Meinst du nicht, dass wir das nähen lassen müssen?“, frage ich meine Frau. „Da bleibt vielleicht eine Narbe.“ „Ach was“, entgegnet sie: „An der Stelle sieht man das gar nicht. Dann bleibt da eben eine Narbe.“

Klein Greta ist ganz tapfer. Als ich ihr ein paar Tage später sage, dass sie nun kein Pflaster mehr braucht, ist sie glücklich. „Jetzt kann ich es in der Kita zeigen.“

Als ich so alt war wie Emma, bin ich auf dem Bauernhof meiner Tante vom Heu gesprungen, immer auf die Strohballen – bis ich auf dem Zementboden landete und mir eine blutende Beule an der Stirn holte. Eine Narbe ist nicht geblieben. Ob ich was im Kopf zurückbehalten habe, ist strittig. Stephan Wiehler

Kunstvolle Narben für Erwachsene gibt es im Studio „Naked Steel“ für „Piercing & Bodymodification“, Mainzer Str. 10 in Friedrichshain, Tel. 200 568 30, www.naked-steel.de

Stephan Wiehler

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