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Was macht die Familie?: An der Schule verzweifeln

Wie eine Mutterdie Stadt erleben kann.

Als Mutter in Berlin mag man diese Studien eigentlich gar nicht mehr lesen. Jetzt hat eine Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung dem hiesigen Bildungssystem beschieden, im bundesweiten Ranking ziemlich weit hinten zu stehen, während der Süden Deutschlands erneut glänzt. Dass es zumindest nicht der letzte Platz ist, tröstet nur wenig. Neu sind die Erkenntnisse zwar nicht, aber eine gewisse Verunsicherung rufen sie schon hervor. Gerade jetzt, wo Charlotte sich im Endspurt der letzten beiden Jahre bis zum Turbo-Abi befindet, frage ich mich immer wieder, ob sie in den Berliner Schulen die bestmöglichen Bildungschancen bekommen hat. Nach wie vor registriere ich aufmerksam jeden Ausfall einer Schulstunde, jede Anekdote über schlechten Unterricht.

Zu meiner Schulzeit waren Mütter und Väter gelassener. Die Stempel auf den Zeugnissen „wegen Lehrermangels nicht erteilt“ oder „wegen Erkrankung der Lehrkraft keine Benotung möglich“ wurden nicht einmal registriert – weder von meinen Eltern noch von denen meiner Freundinnen. Lehrermangel traf in Babyboomer-Zeiten eben alle. Der Konkurrenzdruck war nicht so groß.

Vor allem wurden wir als Schüler nicht ständig mit den ach so schlauen Skandinaviern oder Kanadiern verglichen. Dauernd müssen unsere Kinder hören, dass diese ihnen vom Bildungsstand her um Längen voraus sind und ihnen später in der globalisierten Wirtschaft die besten Jobs vor der Nase wegschnappen werden.

Aber auch in längst vergangenen Zeiten gab es durchaus schon Aufregung um schlechte Schulen. In einer Familienchronik stieß ich letztens auf Vorfahren, die Mitte des 17. Jahrhunderts im Bergischen Land lebten. Eine streng protestantisch-reformierte Familie, die sehr auf die Schulbildung ihres Sohnes, Charlottes Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvaters, bedacht war. Da die örtliche Lateinschule der Gemeinde in einem „derart verlotterten Zustand“ war, wie es hieß, schickten die Eltern den Nachwuchs auf ein katholisches Gymnasium in Köln – damals eigentlich undenkbar. Die frommen Eltern riskierten seinerzeit einen Ausschluss von den Sakramenten.

Von verlotterten Schulen können Eltern heutzutage auch ein Lied singen. Diese Probleme sind doch reichlich bekannt. Aber bei einem Schulwechsel droht wenigstens keine Exkommunikation mehr, schon gar nicht in Berlin. Hier lernt man ja nicht mal mehr, was das ist. Sigrid Kneist

Im außerschulischen Bereich „Persönliches Lernen“ hat Berlin wegen seiner Museen, Theater und anderen Kultureinrichtungen sehr gut abgeschnitten. Bei den Staatlichen Museen haben Jugendliche bis 18 freien Eintritt.

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