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Was macht die Familie?: Die große Freiheit erleben

Wie eine Mutter die Stadt erleben kann.

Für Charlotte ist dies der Sommer der großen Freiheit. Die lange Zeit zwischen dem Schulende und dem Beginn eines neues Lebensabschnitts nutzt sie zu einer ausgiebigen Reise in den USA. Sie ist von Boston bis Miami die Ostküste herunter „on the road“. Mit Exzessen, wie sie in Jack Kerouacs gleichnamigem Kultbuch beschrieben sind, hat dies zum Glück nicht viel gemeinsam.

Denke ich zumindest, denn sie lässt mich immer wieder teilhaben an der Reise. Dank moderner Kommunikationsmittel wie „What’s App“ und „Facebook“ bin ich stets gut im Bilde. Ich meine das wörtlich: Vor allem bekomme ich viele Fotos zu sehen. Einige davon rühren mich sehr, ich schwelge in Erinnerungen. Im Englischen gibt’s dafür die schöne Redewendung: Walking down memory lane. Charlotte fährt nämlich etliche Ziele ab, die in meinem Leben mal eine Rolle gespielt haben. Sie besucht das immer noch heruntergekommene Seebad Asbury Park in New Jersey. Vor 30 Jahren arbeitete ich als Studentin dort in einem ebenso heruntergekommenen Hotel, bevor ich mit Freunden weiter nach Virginia zog. Und gerade schickte meine Tochter mir ein Bild des Häuschens, in dem wir dort den Sommer über lebten. Dem Vermieter war vor allem wichtig, dass wir eine Bibel im Hause hatten. Die übergab er uns mit den Hausschlüsseln. Der verstopfte Abfluss interessierte ihn nicht so sehr. Es war ein ziemlich schlichtes Häuschen, heute sieht es bedeutend schicker aus. Gentrifizierung herrscht überall.

Aber nicht nur durch meine Tochter in den USA bin ich auf der memory lane unterwegs. Auch in Berlin: Vor vielen Jahren besaß ich ein rotes Rennrad. Mit dem eroberte ich die Stadt, die damals nur West-Berlin war. Dieses Fahrrad war für mich der Inbegriff der Unabhängigkeit – bis es geklaut wurde. Jetzt habe ich das Radfahren wiederentdeckt. Mein Gefährt ist ein schwarzes, schweres Klapperding, aber trotzdem – die Stadterfahrung ist wie damals. Abends durch die Bergmannstraße zu fahren ist ein Jungbrunnen: Ich fühle mich als Teil des Ausgehvolks. Und beim Radeln über die Weite des Flugfelds spüre ich die große Freiheit, die Tempelhofer Freiheit. Dafür muss ich gar nicht mehr weit reisen. Sigrid Kneist

Wie im Urlaub fühlt man sich im Garten der Osteria N° 1, Kreuzbergstr. 71, Telefon 786 9162.

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