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Was macht die Familie?: Ein Kapitel schließen

Wie eine Mutterdie Stadt erleben kann.

Es ist an der Zeit, von jahrelang gepflegten Ritualen allmählich Abschied zu nehmen. Wider Erwarten zieht Wehmut ein, denn wir reden hier von der Schule. In acht Wochen ist Charlottes letzter Schultag, sie absolviert ihre erste Abiturprüfung, die Präsentation. Es folgen vier weitere Prüfungen – hoffentlich nicht noch eine fünfte – , Zeugnisübergabe, Abiball und Abschlussfahrt. Das war’s. Dann ist das Schulkapitel in unserem Familiengeschichtsbuch abgeschlossen.

Vor elfeinhalb Jahren, als die Episode begann, hätte ich noch gesagt: Oh mein Gott, wie schnell die Zeit vergeht. Jetzt reicht OMG – Englisch gesprochen. Ich kann mich noch genau an das Wecken am ersten wirklichen Schultag erinnern. Obwohl das kleine Mädchen damals sehr aufgeregt war, war der Schlaf tief und das frühmorgendliche Wecken, nun ja, langwierig und nicht einfach. Auch wenn wir das Ganze inzwischen ungefähr 2300 Mal geübt haben, ist es nicht leichter geworden. Nicht alles im Leben kann man lernen.

Mindestens genauso oft belegte ich Pausenbrote, schnippelte Obst und Gemüse für die Snackbox. In manchen Jahren stand Cervelatwurst ganz oben, dann wieder war Salami verpönt und Frischkäse angesagt. Mal sollten es lieber Paprika- oder Gurkenstücke sein statt Apfel, Mandarine oder Weintrauben, manchmal musste ein Müsli-Riegel sein. Eine Zeitlang war alles falsch, dann wurde mittags die noch gefüllte Box wieder ausgepackt.

Gefühlte 5000 Mal stellte ich die Frage, wie es denn in der Schule war. Meistens antwortete Charlotte: „Okay!“ Das befriedigte meine Neugier nicht ansatzweise und löste weitere Nachfragen aus. Journalistische Recherchetricks, die bei manchen Interviewpartnern funktionieren, verfingen nicht bei meiner Tochter. Klüger war ich hinterher nicht. Wie schön also, dass es Elternversammlungen gab und die informellen Stammtische; die richtig interessanten Dinge erfuhr man eher dort.

Ein letztes Mal starten wir in gut einer Woche zusammen in die Winterferien, jedoch bestimmt nicht zum letzten Mal gemeinsam in den Urlaub – dann unabhängig vom Korsett der Schule. Aber erst einmal werde ich jetzt noch die letzten Schulalltagswochen genießen: mein inzwischen großes Kind weiter beharrlich, liebevoll wecken, Pausenbrote belegen und am Ende eines langen Schultages die unvermeidliche Frage „Wie war’s denn heute?“ stellen. Die Rituale müssen sein. Aber was mache ich in acht Wochen? Sigrid Kneist

Urlaub in den Schulferien will oft früh geplant werden: Ferientermine bis 2017 findet man auf http://www.berlin.de/sen/bildung/schulkalender

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