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Was macht die Familie?: Kampf um den Küchentisch

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann.

Der Vater fühlt sich an den Rand gedrängt. Zeitlich jedenfalls. Am Morgen muss er noch früher aufstehen, um ungestört unter die Dusche zu kommen, bevor Tochter Franca das Bad für sich reklamiert. Ich muss schon früh im Büro sein, verkündet die 18-Jährige dem Vater noch etwas spitz, bevor sie ihn aus dem Bad schmeißt. Ja, jetzt gehört die Tochter auch zur Generation Praktikum und beeindruckt den Vater nicht nur mit großem Einsatz, sondern auch mit Rock und Blazer.

Nicht nur die Morgen werden stressiger, weil auch noch die Mutter sich fertig machen muss, auch bei der Verteilung der Zeitung für den Weg zur Arbeit hat der Vater häufig das Nachsehen. Und wenn er in Francas Büro anruft, wird er von ihr unwirsch abgehandelt, weil es gerade immer wichtige andere Dinge gibt, die sofort zu erledigen sind.

Warum wird immer nur darüber gesprochen, dass sich die nachwachsende Generation heftig darum sorgt, bloß nicht so zu werden wie ihre Eltern? Hat sich schon mal jemand gefragt, wie sich Eltern ihre Kinder wünschen, wenn die groß sind? Schön, dass es da wenigstens einige Dinge gibt, die sich nicht verändern. Nur, dass sich die Argumente wandeln, was kritische Hinweise der Eltern angeht.

Etwa, wenn der Vater freundlich anmerkt, dass Francas Netbook und ihr Poststapel seit Tagen auf dem Küchentisch liegen, obwohl in ihrem Zimmer durchaus dafür Platz wäre. „Ich habe den ganzen Tag gearbeitet“, muss sich der Vater dann anhören – nein, nicht etwa als Entschuldigung, sondern als Feststellung einer doch sonnenklaren Sachlage, die dem begriffsstutzigen Vater selbst hätte klar sein müssen.

„Du hast aber noch 47 Jahre bis zur Rente, da wirst du dir noch was überlegen müssen, wer bei dir sauber macht“, gibt der Vater zu bedenken. „Du kannst ja auch mal was machen, wenn du schon einen freien Tag hast“, entgegnet Franca in Feierabend-ich-muss-mich-ausruhen-Stimmlage. Und Tochter Lara, die über die Feiertage vom Studienort nach Hause gekommen ist, hat ihre mitgebrachten 27 Kilogramm Bücher auch auf dem Tisch. „Seid froh, dass ich fleißig bin, irgendwer muss ja eure Rente verdienen“, sagt sie freundlich. Dafür wird der Vater ausgeschimpft, weil er seine leere Tasse hat stehen lassen – für die ist auf dem Tisch nun wirklich kein Platz mehr. Gerd Nowakowski

Wer wissen will, was aus Kindern wird, geht zur Signierstunde von Tagesspiegel-Karikaturist Tim Dinter, der am Sonnabend sein Buch über „Lästermaul und Wohlstandskind“ vorstellt: 15 Uhr, „Modern Graphics“, Oranienstraße 22 in Kreuzberg. Versöhnliches können Familien am Wochenende auf dem Umwelt- und Weihnachtsmarkt rund um die Große Hamburger Straße / Koppenplatz in Mitte erleben.

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