zum Hauptinhalt
Klobalisierungsfreunde. Die Schüler des Paulsen-Gymnasiums demonstrierten am Mittwochmorgen gegen den Verfall der Schulgebäude.

©  Susanne Vieth-Entus

Was macht die Familie?: Klobalisierung erkämpfen

Dorothee Nolte schildert, wie sich ihr Sohn das Recht auf ein ordentliches Klo erkämpfen musste und warum aus ihr nie eine begeisterte Demonstrantin wurde.

Ich weiß nicht mehr, wofür oder wogegen meine erste Demo war. Ich glaube, sie war für den Frieden und gegen Mittelstreckenraketen, denn das waren so die Themen in meiner Jugend. Meine letzte Demo, das immerhin kann ich sagen, war vor der Botschaft Saudi-Arabiens, gegen die Auspeitschung des Bloggers Raif Badawi. Dazwischen? Nicht sehr viel. Bin nicht so der Demo-Typ.

Mein Jüngster wird sicher nie vergessen, wofür er im zarten Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal demonstriert hat: für die Klobalisierung! Für die Sanierung der Schultoiletten ist er vor Kurzem mit 150 Mitschülern auf die Straße gegangen: um für sein Recht aufs Austreten einzutreten. Denn er geht in seiner Schule nicht auf die Toilette; die wenigen noch funktionstüchtigen Klos sind ihm zu eklig. Wenn er nach Hause kommt, hat er es sehr eilig.

Eigentlich müsste das Recht auf Austreten in der Verfassung, mindestens aber im Schulgesetz verankert sein. Denn wie soll ein Mensch frei denken und seine Persönlichkeit entfalten, wenn er Blase und Darm im Zaum halten muss? Ich werde hier nicht vornehm herumdrucksen wie Bert Brecht - „Erst das Fressen, dann die Moral“ -, ich sage mit Lutherischer Deutlichkeit: „Erst das Scheißen, dann die Primzahl!“

Die Klobalisierung von Steglitz

Wo es keine vernünftigen Toiletten gibt, brauchen wir über Lehrpläne gar nicht zu diskutieren. Wir haben uns daher sehr gefreut, als das Kind nach der Demo mit der Kopie eines handschriftlichen Zettels nach Hause kam: Darauf versicherte Immobilienstadtrat Karnetzki den Schülern, dass die Toiletten noch 2015 saniert werden. Das ist praktische Erziehung zur Demokratie!

Mein Junge und seine Mitschüler haben sich das Recht auf Austreten heldenhaft erkämpft. Das Schild „Für die Klobalisierung von Steglitz!“ steht jetzt an prominenter Stelle in unserer Wohnung und erinnert uns an die segensreichen Wirkungen des Demonstrationsrechts .

Ich weiß jetzt auch, warum aus mir keine begeisterte Demonstrantin geworden ist: Meine erste Demo war kein Erfolgserlebnis. Wären Reagan und Breschnew damals wie Stadtrat Karnetzki rausgekommen und hätten uns einen Zettel überreicht „Alle Raketen werden verschrottet, der Frieden ist für immer gesichert“, dann hätte mich das beflügelt.

Im Jahr 2014 gab es in Berlin 5000 Demos. Suchen Sie sich eine aus und zeigen Sie Ihrem Kind, wie Demokratie geht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false