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Berlin: Was Rang und Namen hat

Muss man Adelige mit dem Titel ansprechen? Nein, aber man darf

In Österreich ist alles viel einfacher. Sogar Straßennamen tragen dort Doktortitel, und jeder mit einem halbwegs normalen Studienabschluss wird ehrerbietig „Herr Magister“ genannt. Vielleicht liegt das daran, dass ererbte Titel wie Graf, Baron oder auch nur das „von“ im Namen dort 1919 komplett abgeschafft wurden. Der einzige, der in Österreich offiziell sein „von“ führen durfte, war Herbert von Karajan. Das war dann aber nur noch ein Künstlername.

In Deutschland hob die Weimarer Reichsverfassung von 1919 in ihrem Artikel 109 den Adel als Stand auf, ließ aber den Titel als Teil des bürgerlichen Namens bestehen. So kommt es, dass etwa Otto Graf Lambsdorff nicht Graf Otto Lambsdorff heißt und Maja Prinzessin von Hohenzollern eben keine Prinzessin ist (um so weniger, als sie den Titel durch Heirat erworben hat).

Besonders übersichtlich ist die Welt des Adels nicht. Ein kleiner Überblick: Es gibt den höheren und den niederen Adel. Wer den Namenszusatz „von“ trägt, ist niederer Adel, ebenso der Freiherr und der Ritter. Wobei der Ritter nur in Bayern existiert und der Freiherr, der dasselbe darstellt wie ein Baron, einen sozialen Abstieg mitgemacht hat. Im Mittelalter gehörte der Freiherr nämlich noch zum höheren Adel, auf einer Stufe mit dem Grafen, doch seit der Neuzeit ist er niederer Adel.

Zum höheren Adel gehören neben den Grafen noch die Reichsfürsten, die sich wiederum unterteilen in Großherzog, Herzog und Fürst. Ist einer aus dieser Kaste Mitglied eines souveränen Fürstenhauses, ohne aber zu regieren, so nennt er sich Prinz. Aus alledem ergibt sich eine entsprechend große Vielfalt möglicher Anreden.

Anspruch darauf, mit „Graf“ oder „Prinzessin“ angesprochen zu werden, haben die Blaublüter nicht. In der Demokratie sind alle gleich und werden mit Herr oder Frau angesprochen. Da aber der Adelstitel zum Namen gehört, kann man zum Beispiel sagen: „Guten Tag, Herr Graf Lambsdorff“ oder „Frau Prinzessin Hohenzollern“.

Genauso wenig haben die diversen Durchlauchtigkeiten, die auf dem gesellschaftlichen Parkett verkehren, einen Anspruch darauf, etwa mit „Ihre Durchlaucht“ angesprochen zu werden. Auf der Einladung braucht auch kein „S.K.H.“ als Abkürzung anzudeuten, dass es sich hier um „Seine Königliche Hoheit“ handelt. Das hört der Adel nicht so gern, und manche bestreiten auch glattweg, dass es so ist. Ein bekannter Rechtsanwalt, der den Grafen im Namen trägt, war auf Nachfrage der Ansicht, der Titel ersetze die Anrede Herr, das heißt, er sei als „Graf Soundso“ anzureden und ein Baron als „Baron Soundso“. – „Neiiinn! Gerade nicht!“, rief darauf ein Anwalt aus Hamburg. „Das wäre ja, als würde man mich nur ,Müller‘ nennen und nicht ,Herr Müller‘. Wenn der Adelstitel nur noch Teil des Namens ist, so ist die Anrede ,Herr‘, also etwa ,Herr Graf Soundso‘.“ Das kommentierte ein Bonner Anwalt, bei dieser Gleichmacherei handele es sich wohl um den „sozialdemokratischen Ansatz“, der zwar juristisch stimmen möge, aber eindeutig ein Beleg dafür sei, dass einer nicht wisse, was sich schickt.

Und was sich schickt, ist immer noch, was dem anderen Respekt erweist. Wer sich also beliebt machen will, sollte den Titel eher nennen als weglassen. Oder gleich mit dem Grafen Brüderschaft trinken. Dann heißt er nur noch Otto.

Fatina Keilani

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