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Berlin: Wasserpreise: Jetzt wird nachgerechnet

Kann der Senat die Tarife wie versprochen senken? Ihre Erhebung ist politisch und rechtlich umstritten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) versprach im Tagesspiegel-Interview eine Senkung der Wasserpreise, wenn der private Anteil an den Berliner Wasserbetrieben in Landeseigentum zurückgeführt wird. Der Chef von Veolia Wasser, Michel Cunnac, widersprach. Die Berliner Wasserpreise seien schon vor der Teilprivatisierung des Unternehmens hoch gewesen. „Nirgendwo in Deutschland ist die Tarifkalkulation so transparent wie in Berlin.“ Wer hat recht?

Cunnacs Darstellung ist insofern richtig, als die Wassertarife nach gesetzlichen Regeln kalkuliert werden. Das Prinzip: Von den Kosten werden die Einnahmen aus Mieten, Umlandgeschäft, Grundwasserreinigung, Zinsen usw. abgezogen. Daraus ergibt sich der Entgeltbedarf, den die Kunden abdecken, indem sie ihre Wasserrechnung bezahlen. Darauf steht der Grundpreis, der sich nach der Größe der Wasseruhr bemisst und Kosten abbildet, die durch die Bereitstellung und Unterhaltung des Wasseranschlusses entstehen. Hinzu kommt der Mengenpreis, der sich nach dem Wasserverbrauch richtet.

Wichtigste Grundlagen der jährlichen Tarifkalkulation sind der Wirtschaftsplan und der testierte Jahresabschluss des Vorjahres. Die Berechnung der Preise aus den betriebswirtschaftlichen Daten ist im Berliner Betriebegesetz detailliert festgelegt. Kontrolliert wird das Verfahren vom Prüfungsunternehmen Wibera. Der Aufsichtsrat der Wasserbetriebe beschließt die errechneten Tarife, bevor sie von der Tarifgenehmigungsbehörde des Senats abgesegnet werden.

Die Preise für Trink- und Schmutzwasser werden getrennt berechnet. In die Kalkulation gehen die realen Ausgaben ein. Das sind Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Material, Fremdleistungen und Personal. Außerdem das Grundwasserentnahmeentgelt, die Abwasser- und Konzessionsabgabe und abzugsfähige Steuerausgaben. Das in Berlin 1989 eingeführte Grundwasserentnahmeentgelt ist eine Art Umweltabgabe, sie wird in allen Ländern erhoben, ist aber hier sechsmal so hoch wie in Hamburg und Bremen.

Die seit 1981 geltende Abwasserabgabe wird erhoben, wenn Schmutz- und Regenwasser in Gewässer eingeleitet werden. Die Konzessionsabgabe, die in Berlin seit 2004 erhoben wird, berechtigt die Wasserbetriebe zur Verlegung der Rohre unter öffentlichem Straßenland. In der Summe bewegen sich diese kommunalen Abgaben für das Berliner Wasser im bundesweiten Durchschnitt.

In die Berechnung der Tarife gehen aber auch die kalkulatorischen Kosten ein: Für die Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals, für Abschreibungen nach dem Wiederbeschaffungszeitwert und für unternehmerische Wagnisse. Der Zinssatz für das betriebsnotwendige Vermögen wird jährlich vom Senat festgelegt (für 2011: 7,1 Prozent) und errechnet sich aus der Durchschnittsrendite zehnjähriger deutscher Bundesanleihen in den vergangenen 20 Jahren.

Das Berliner Verfassungsgericht hat die Tarifgestaltung der Wasserbetriebe im Juli 2010 für rechtmäßig erklärt. Trotzdem hat das Bundeskartellamt einen „Anfangsverdacht auf überhöhte Wasserpreise“ geäußert und vergleicht derzeit die Berliner Tarife mit denen von 45 anderen Kommunen. Laut einem Großstädte-Vergleich, den die Potsdamer Stadtwerke in Auftrag gaben, liegt Berlin beim Trinkwasser im unteren Mittelfeld, beim Abwasser im oberen Drittel. Sollte das Kartellamt in Berlin eine Preissenkung anordnen, müssen voraussichtlich Investitions-, vielleicht auch Personalkosten gekürzt werden – oder die Eigentümer der Wasserbetriebe verzichten „freiwillig“ auf einen Teil der Gewinne.

Die von Senator Wolf versprochene Tarifsenkung ließe sich natürlich auch erreichen, wenn der umstrittene Privatisierungsvertrag geändert – oder durch eine Rekommunalisierung nichtig würde. Denn in diesem Vertrag wird eine hohe Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals garantiert, das zudem jährlich wächst. Außerdem steht den privaten Miteigentümern eine „Zusatzverzinsung“ von zwei Prozent zu. Das Landesverfassungsgericht strich diese „R+2“-Regelung zwar aus dem Teilprivatisierungsgesetz, aber die Investoren beharrten auf der Erfüllung der vertraglichen Renditegarantie. Das schmälert seitdem den Gewinnanteil des Landes Berlin.

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