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Unter Preisdruck. 421 Euro im Monat kostet die Ausbildung eines Jugendlichen.

© ddp

Wegen Dumpinglohnkonkurrenz: Internationaler Bund streicht bis zu 300 Stellen

Der bundesweit arbeitende Verein zieht sich aus der außerbetrieblichen Ausbildung von Jugendlichen zurück. Beim IB werden Tariflöhne gezahlt, bei anderen Anbietern nicht. Die Verantwortlichen fordern Mindestlöhne.

Der Verein Internationaler Bund (IB) muss sich von bis zu 300 Mitarbeitern trennen, knapp der Hälfte seiner Beschäftigten in Berlin. Die 1949 gegründete Sozialeinrichtung ist bundesweit tätig. In Berlin gibt sie schrittweise die verlustreichen Geschäftsfelder „Berufsvorbereitung“ und „Berufliche Erstausbildung“ auf, wo bisher Jugendliche ohne Schulabschluss beispielsweise zu Handwerkern oder Gastronomen ausgebildet werden. Der Einschnitt wurde notwendig, nachdem der Berliner Verein allein im vergangenen Jahr 2,5 Millionen Euro Verluste in diesen Bereichen geschrieben hatte.

„Wir können und wollen nicht mehr mithalten, weil wir Dumpingangebote ablehnen“, sagte Silvia Schott, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Internationalen Bundes. In der beruflichen Bildung von Jugendlichen herrsche ein „knallharter Wettbewerb“ um die Fördergelder, die von den Arbeitsagenturen im Rahmen von Ausschreibungen vergeben werden. Der IB zahlt seinen Mitarbeitern Tariflöhne, andere Anbieter nicht.

Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) sagte auf Anfrage: „Dass tarifgebundene Unternehmen sich aus der beruflichen Bildung zurückziehen, ist ein Beispiel dafür, wie dringend Mindestlöhne in diesem Bereich gebraucht werden.“ Es sehe zwar zurzeit so aus, als ob eine entsprechende Vereinbarung für diesen Bereich zusammen mit der Einigung über die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze geschlossen werde. „Das ist aber nur ein erster Schritt, wir brauchen den Mindestlohn in allen Branchen“, so die Sozialsenatorin.

„Unwürdig“ nennt IB-Betriebsrätin Rita Jüptner die Verhältnisse in der Branche: Konkurrenten bezahlten vollzeitbeschäftigte Sozialpädagogen und Ausbilder so schlecht, dass diese auf Zuschüsse der Arbeitsagenturen angewiesen seien. „Wenn man dafür bestraft wird, dass man vernünftig mit seinen Leuten umgeht, ist etwas nicht in Ordnung“, sagte Jüptner.

Von einem „darwinistischen Konkurrenzkampf“ in der Berufsbildungsbranche spricht deshalb auch IB-Geschäftsführer Manfred Ritzau. Die teilweise bis zum Jahr 2014 laufenden Ausbildungsverträge will der Berliner IB dennoch erfüllen. Die angestellten Lehrer, Pädagogen und Ausbilder werden schrittweise freigestellt, mit Auslaufen der Ausbildungsverträge mit den Arbeitsagenturen. Es werde einen Sozialplan geben und das Angebot an die bisherigen Mitarbeiter, in andere Bereiche oder Standorte des IBs zu wechseln. Bundesweit seien mehr als 600 Stellen frei.

Während der IB die zum Teil teuren Stellen im Verein streicht, baut er in einer neuen Gesellschaft billigere Stellen wieder auf – denn ganz will man das Feld der Berufsbildung nicht aufgeben. Mit einer GmbH hat man sich bereits wieder um vier neue Aufträge der Arbeitsagentur beworben, die im März vergeben werden. Die GmbH wird ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen, der bei den Hartz-IV-Verhandlungen auf Bundesebene im Gespräch ist. Dessen Einführung fordern die Verbände und auch das Land Berlin seit Langem. Er stand auch auf der Agenda der großen Koalition – dann kamen Wahl und CDU-FDP-Regierung. Der diskutierte Mindestlohn beträgt 2076 Euro Brutto, die Angestellten des IB verdienen teilweise über 1000 Euro mehr im Monat. Doch auch diesen Mindestlohn unterbieten viele Anbieter.

Von der Abwärtsspirale bei den Löhnen in der außerbetrieblichen Berufsausbildung profitieren die Arbeitsagenturen: Die monatlichen Kosten für die Ausbildung eines jugendlichen Schulabbrechers haben sich nach Angaben des Internationen Bundes in den vergangenen zehn Jahren von 800 Euro auf rund 400 Euro halbiert.

Bei der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg hieß es, in der Region betrage der „durchschnittliche Kostensatz“ für berufliche Maßnahmen von Jugendlichen unter 25 Jahren 421 Euro. Der Satz sei zwischen 2005 und 2007 gesunken, seit 2008 aber wieder gestiegen. „Wir vergeben die Aufträge nicht immer an den billigsten Anbieter“, sagte Sprecher Erik Benkendorf. In über zwei Dritteln der Fälle hätten auch „qualitative Kriterien“ den Ausschlag gegeben.

Arbeitsagentur und IB-Spitze rechnen gleichermaßen damit, dass sich die Konkurrenz auf dem Markt für berufliche Erstausbildung verschärfen wird. Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung: Bald gelangen die nach 1990 geborenen Jugendlichen aus den geburtenschwachen Jahrgängen auf den Arbeitsmarkt. Da zugleich die Konjunktur anzieht und dadurch die Nachfrage nach Arbeitskräften wächst, haben sie größere Chancen auf eine reguläre Stelle in einem Betrieb – und benötigen keine außerbetriebliche Ausbildung.

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