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Huber

© Rückeis

Weihnachten: Gott oder Geld

Die Frage zur Krise: Worauf kommt es im Leben an?

„Heut schließt er wieder auf die Tür zum schönen Paradeis“ – so wird es in diesen Weihnachtstagen in vielen Gottesdiensten erklingen. Nicht in nur Berlin, sondern in aller Welt wird Weihnachten gefeiert, das Fest der Geburt Jesu Christi. In der Geburt dieses Kindes gründet die christliche Kirche. Im Kommen Gottes in unsere Welt wurzelt unsere Zuversicht. Der Blick auf die heilige Familie bestärkt die Hoffnung, dass die Gemeinschaften, in denen wir leben, eine gute Zukunft haben.

Christliche Gemeinden haben ein besonderes Verhältnis zur Feier der Weihnacht; mit großer Liebe werden die Gottesdienste für diese Tage vorbereitet. Doch die Weihnachtsbotschaft strahlt darüber aus: Gott beschenkt die Welt. Seine Güte und seine Barmherzigkeit sind ein Hoffnungslicht für die ganze Erde. Weihnachten ist deshalb für unsere Gesellschaft insgesamt so wichtig wie für die Kirche.

Deshalb werden Lichter angezündet weit über den Kreis der Christen hinaus. Es kommen Menschen in Gottesdienste, die sich sonst nicht zu den christlichen Gemeinden halten. Auch sie fühlen sich durch das Fest beschenkt. Deshalb machen sie einander Geschenke.

Weihnachten ist ein christliches Fest; doch die Weihnachtsbotschaft enthält eine Wahrheit, die für alle Menschen gut und heilsam ist. Schon in der ersten Heiligen Nacht wird dies sichtbar. Zur Krippe kommen arme Hirten genauso wie wohlhabende Weise aus dem Morgenland. Die Unterschiede zwischen ihnen verlieren vor diesem Kind alles Trennende. Im Staunen sind sie vereint; ihre Dankbarkeit überschreitet Grenzen. Wer auf das Kind in der Krippe des Stalls von Bethlehem blickt, begegnet der Menschenfreundlichkeit Gottes. Deshalb leuchtet der Stern von Bethlehem weiter als alle glitzernde Reklame. Er bietet eine Orientierung, an die man sich halten kann im Leben und im Sterben. In Gottes Gnade hat unsere Würde ihren Grund. Darauf können wir uns verlassen – über unseren Tod hinaus.

Was im Stall von Bethlehem geschah, hat sich auf eine besondere Weise als wertebildend erwiesen. Alle Weltreligionen haben je auf ihre Weise eine Bedeutung für die Wertorientierung der Menschen – auch wenn man keine von ihnen auf die Rolle einer „Werteagentur“ reduzieren darf. Denn jede Religion richtet sich auf eine Wahrheit, die ihre Bedeutung in sich selbst hat – über alle gesellschaftlichen Werte hinaus. Deshalb umfasst Religion mehr als nur Ethik – nämlich einen Halt, der nicht vom eigenen Handeln und Verhalten abhängt. Doch auch das andere trifft zu: Religiöse Überzeugungen prägen unser Verhalten und unsere Maßstäbe. Wer sich mit einer unantastbaren Würde beschenkt weiß, wird diese Würde auch in jedem anderen Menschen wahrnehmen und achten.

Schon deshalb gibt es in einem aufrichtigen Dialog der Religionen für fundamentalistische Absolutheitsansprüche keinen Ort. Aber auch eine relativistische Gleichgültigkeit bietet dafür keine Grundlage. Nötig ist vielmehr eine überzeugte Toleranz. Sie verbindet Klarheit über den eigenen Ort mit der Teilnahme am Leben des anderen; sie verknüpft, anders gesagt, Identität mit Verständigung.

Beides muss auch zur Geltung kommen, wenn es in der öffentlichen Schule um Wertorientierung und deren Begründung geht. Auf die Vielfalt religiöser und weltanschaulicher Orientierungen bietet deshalb ein staatliches Einheitsfach keine zureichende Antwort. Man muss der Verschiedenheit Raum geben und so ein Gespräch zwischen unterschiedlichen Positionen in Gang bringen. Darauf zielt das Volksbegehren, das die Wahlfreiheit zwischen Religionsunterricht und Ethik erreichen will. Damit soll dem christlichen Religionsunterricht an den Berliner Schulen ein angemessener Ort gegeben werden, aber nicht ihm allein. Es geht nicht um Sonderrechte für die christlichen Kirchen, sondern um Fairness und Wahlfreiheit für Schülerinnen und Schüler.

Kindern und Jugendlichen sollen Tiefe und Weite der biblischen Überlieferung und die Kraft einer christlichen Werteorientierung nahegebracht werden. Sie sollen Klarheit über ihre eigene religiöse Identität gewinnen und dadurch die Fähigkeit zum Dialog mit anderen entwickeln. Dafür sollen Begegnungsphasen zwischen den Teilnehmern des Ethik- und des Religionsunterrichts Raum bieten.

Gerade das Weihnachtsfest 2008 führt uns vor Augen, wie wichtig religiöse Bildung ist. Die krisenhaften Entwicklungen dieses Jahres stellen uns vor die Frage, worauf es im Leben letztlich ankommt: Gott oder Geld. Nachdrücklich hat uns dieses Jahr davor gewarnt, Irdisches zu vergötzen und aus Menschlichem Göttliches zu machen. Um uns davor zu bewahren, wird Gott selbst Mensch. Wir werden geradezu auf das erste Gebot gestoßen: „Ich bin dein Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ Viele Menschen haben ihr Herz nicht an Gott gehängt, sondern an Gewinn. Nun drängt der Verlust vergänglicher Werte zur Besinnung auf die Werte, die bleiben.

Der Autor ist Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

Bischof Wolfgang Huber

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