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Berlin: Weitblick

Das „schöne“ Fernsehen? Wer Fernsehen schaut, liest eh keine Bücher, denkt man.

Das „schöne“ Fernsehen? Wer Fernsehen schaut, liest eh keine Bücher, denkt man. Iso Camartin, bis vor kurzem Leiter der Kulturabteilung beim Schweizer Fernsehen DRS und zuvor viele Jahre Professor für rätoromanische Literatur in Zürich, macht beides und hat ein Büchlein über seine Erfahrung mit dem Medium geschrieben. Schöne Idee – launig umgesetzt. Es braucht einige Seiten, bis man ahnt, worauf er hinaus will. Camartin reiht Geschichten aus Literatur, Philosophie und Musik aneinander. Zitiert die üblichen Verdächtigen der Medienkritik. Adorno oder Enzensberger mit seiner Diagnose vom Nullmedium Fernsehen. Dann aber wird die Bücherkiste ausgepackt. Tizian, Dante, Ovid, Kafka, Benjamin, Nietzsche. Das ist alles recht klug und erhellend, manchmal auch angestrengt. Beispiel Teiresias. Der Mann hatte ein kühnes Urteil über Naheliegendes gesprochen und war dafür mit Blindheit geschlagen worden. Zum Trost hat ihm Zeus die Gabe des Fern-Sehens gegeben. Camartin: „Hier liegt das Geheimnis: Fernsehen ist gerechte Entschädigung für das verbotene Aufdecken des Naheliegenden. Darum wollen so viele zum Fernsehen.“ Immerhin: Angesichts von so viel Trash-TV ein äußerst zeitgemäßer Essay.

Dieses Buch bestellen Iso Camartin: Belvedere. Das schöne Fernsehen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M., 153 Seiten, 16,90 €.

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