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Kleine Biester. Milben kommen in mehr als 50 000 Arten vor, oft auch als Krankheitsauslöser oder -überträger via Haustier. Hier eine mikroskopische Aufnahme.

© FU Berlin

Krank durch Haustiere: Wen juckt das schon?

Der Hund im Bett, ein Wellensittich auf der Schulter, die Echse im Arm: Kaum jemand lässt seine Haustiere so nah an sich ran wie die Deutschen. Aber das kann krank machen. Panik will Zoonoseexperte Nils Kley jedoch nicht verbreiten. Selbst für tierliebe Allergiker hat der Experte Tipps parat.

Kuhpocken sind tückisch. Zehn Tage nach der Infektion treten beim Menschen grippeartige Symptome auf, dazu bilden sich kreisrunde, münzgroße Pusteln auf der Haut. Die lassen sich nicht mit Medikamenten behandeln, kligen erst nach fünf bis acht Wochen ab und hinterlassen Narben. Der Name ist trügerisch, denn Kuhpocken werden heute nicht mehr durch Kühe übertragen, sondern durch Katzen und Farbratten, eine Berührung reicht.

Viele Symptome werden gar nicht erkannt

Krankheiten, mit denen Haustiere ihre Besitzer anstecken, heißen „Zoonosen“. Rund 200 verschiedene gibt es, viele haben deutlich unauffälligere Symptome als die Kuhpocken – und werden häufig gar nicht erkannt, auch deshalb, weil Humanmediziner vor der Diagnose ihre Patienten kaum zu deren Tierhaltegewohnheiten interviewen. Wer seinem Hausarzt zum Beispiel schon einmal über entzündete Augen, Gliederschmerzen oder Fieber geklagt hat, wird selbst wissen: Die Frage, ob man daheim zufällig einen Papagei oder Wellensittich besitzt, bleibt ganz sicher aus. Dabei könnte es sich um Psittakose, die sogenannte Papageienkrankheit, handeln. Ausgelöst durch den Erreger Chlamydophila psittaci, übertragen durch Kot oder andere Sekrete. Das Tier selbst muss dabei überhaupt keine Krankheitsanzeichen zeigen.

„Verständlich, dass es deswegen keine zuverlässigen Statistiken über die Häufigkeit solcher Übertragungen gibt“, sagt Nils Kley vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit in Greifswald. Er engagiert sich bei der Nationalen Forschungsplattform für Zoonosen, hat sich mit Kollegen kürzlich in Leipzig in einem Workshop über die übertragbaren Krankheiten deutscher Haustiere ausgetauscht. „Panik wollen wir nicht verbreiten“, sagt Kley. Die Gefahr einer Epidemie bestehe sicher nicht. Aber Aufklärungsbedarf.

Schlangen tragen Salmonellen in sich

Sicher ist, dass ausnahmslos jede Haustierart Krankheiten auf den Menschen übertragen kann, selbst der Fisch im Aquarium. Das Bakterium Aeromonas hydrophila etwa kann, gelangt es in den Menschenkörper, Durchfall oder eine Magen- Darm-Grippe auslösen. Meerschweinchen können Pilze übertragen, Ratten und Farbmäuse die Tropische Rattenmilbe. Im Gegensatz zu den Kuhpocken lassen sich die Symptome leicht behandeln.

Die meisten Schlangen und anderen Reptilien, die man bei Züchtern oder in der Tierhandlung kauft, tragen Salmonellen in sich – und werden sie ihr Leben lang ausscheiden.

Manche Wissenschaftler raten deshalb, zumindest Kinder unter fünf Jahren rigoros von Reptilien fernzuhalten. Andere halten das für übertrieben. Hauptsache, man wasche sich nach jedem Kontakt die Hände – und lasse die Tiere auf keinen Fall frei herumlaufen, weil sie dann ihre Bakterien in der ganzen Wohnung verteilen. Genau das ist der Grund, warum das Zoonosen-Problem in Deutschland nach Expertenmeinung eher zu- als abnehmen wird: Je näher Menschen ihre Haustiere an sich heranlassen, je mehr Alltag sie mit ihnen teilen und je mehr sie ihr Tier als Familienmitglied begreifen, desto höher wird zwangsläufig das Risiko einer Übertragung.

Fast jeder dritte Hund darf im Bett übernachten

Wenig Mut macht auch der europäische Nationenvergleich, bei dem Deutschland wie so oft ganz weit vorn liegt. Im Vergleich zu Franzosen, Briten und Niederländern lassen die Deutschen ihre Haustiere am häufigsten zum Kuscheln ins Bett. Fast 33 Prozent der Hunde und mehr als 46 Prozent der Katzen dürfen auf der Matratze ihres Halters übernachten. Nur die US-Amerikaner sind noch tierlieber. Auch die „New York Times“ hat sich schon mit der Übernachtungsfrage von Haustieren beschäftigt. Und kommt zu dem Ergebnis: Im Bett schlafen lassen ist jedenfalls nicht so schlimm wie sich eigene Wunden von Hundezungen lecken zu lassen. Dem können auch deutsche Wissenschaftler nur zustimmen.

Tiere für Allergiker

Anders als oft angenommen sind es nicht die Tierhaare selbst, die allergische Reaktionen provozieren, sondern Eiweißmoleküle, die in Ausscheidungen des Tieres enthalten sind, in Speichel, Urin oder Talg. Diese Stoffe kleben häufig an den Haaren. Gelangen sie durch Einatmen oder über die Augen in den Menschenkörper, löst das bei Betroffenen Gegenreaktionen des Immunsystems aus: Hautrötungen und Schwellungen, Nesselausschlag, Niesreiz, Bindehautentzündungen, vermehrte Schleimproduktion, Verengung der Atemwege bis hin zu Heuschnupfen und Asthma. Allergien sind erblich bedingt.

Etwa zehn Prozent der Deutschen reagieren auf Tiere allergisch. Dass in der Öffentlichkeit vor allem die Hundehaarallergie thematisiert wird, liegt an der Popularität des Tieres. Statistisch gesehen reagieren Menschen häufiger auf Katzen, Kaninchen oder Meerschweinchen allergisch – und bei Hunden oft nur auf wenige, bestimmte Arten. Auch Ausscheidungen von Vögeln, Ratten, Mäusen und Pferden können das Immunsystem reizen.

Sowohl der Einsatz von Akut-Medikamenten wie Antihistaminika als auch Hyposensibilisierung sind möglich. Ob die allergische Reaktion dabei verschwindet oder bloß gelindert werden kann, ist unterschiedlich. Die wirksamste Form der Symptombekämpfung ist immer noch, konsequent Abstand zu halten.

Der portugiesische Wasserhund verliert kaum Haare

Hartnäckig hält sich das Gerücht, es gäbe heute spezielle Hunderassen, die grundsätzlich keine Allergien auslösen können. Das ist falsch. Tatsächlich gibt es aber Rassen, die für Allergiker besser

geeignet sind, weil sie kaum oder zumindest weniger Haare verlieren: Dazu gehören der Labradoodle (Kreuzung von Labrador und Großpudel), der Goldendoodle (Golden Retriever plus Großpudel) sowie der portugiesische Wasserhund. Bei Katzen ist die Rasse German Rex populär. Außerdem als für Allergiker geeignet wird die Rasse der Bengalkatze angesehen.

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