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Berlin: „Wenig zu verteilen“

Kiepert-Gläubiger fordern sechs Millionen Euro – mindestens

Sie galt als „bestsortierte Buchhandlung“ Deutschlands, war eine Berliner Institution. Heute stehen Eigentümer und Beschäftigte des insolventen Traditionsunternehmens Kiepert an der Hardenbergstraße vor einem Scherbenhaufen. Mit der Gläubigerversammlung hat gestern der letzte Akt der Abwicklung begonnen: Eventuell noch vorhandenes Firmenvermögen soll auf die Gläubiger verteilt werden.

Allein sechs Millionen Euro fordern sie bislang. 3,8 Millionen davon sind Bankschulden. „Zwischen 50 und eine Million Euro“ bewegen sich die Forderungen der Verlage, sagte ein Verlagsvertreter. Dazu kommen Ansprüche der Beschäftigten. Die Summe kann sich erhöhen, weil die Frist, Forderungen zu stellen, erst Anfang 2003 endet. Ob die Gläubiger jemals an ihr Geld kommen, ist allerdings fraglich. Die Insolvenzverwalterin Petra Hilgers stellte gestern „Masseunzulänglichkeit“ fest. Dies deutet nach Angaben eines Insolvenzexperten darauf hin, „dass es wenig zu verteilen gibt“.

Besonders schmerzhaft trifft das die zuletzt 117 Angestellten. Sie hofften auf Lohnzahlungen bis zum Ende ihrer Kündigungsfristen. 64 Beschäftigte haben deshalb Klagen eingereicht. Etliche haben Jahrzehnte bei Kiepert gearbeitet und mit fünfstelligen Abfindungen gerechnet. „Nun sieht es nicht danach aus, dass irgendetwas übrig bleibt“, sagte eine ehemalige Mitarbeiterin. Auch die persönlichen Perspektiven der arbeitslosen Buchhändler seien schlecht. Es gebe derzeit keine freien Jobs in ihrem Beruf.

Auf der Versammlung ging es auch um die Hintergründe der Insolvenz. Dafür gab es nach Auffassung eines Ex-Mitarbeiters externe Ursachen, wie die zunehmende Konkurrenz von Buchhandelsriesen und die schwächelnde Konjunktur, aber auch interne, wie Managementfehler und Fehlinvestitionen. Bei der Revision der Bücher kam heraus, dass es 1999 die letzte testierte Bilanz gab. Nach Angaben von Ex-Mitarbeitern wurden zudem Geschäfte zwischen Haupthaus und eigenständigen Filialen vermischt – was das Verfahren noch komplizierter macht.

Von den einst zehn Kiepert-Buchhandlungen ist fast keine mehr übrig. Mindestens drei Filialen wurden verkauft, zwei in Zehlendorf und in Prenzlauer Berg an die Buchhandelskette Thalia und eine, die an der FU, an den Fachbuchhändler Struppe & Winckler. Für drei Filialen in Hellersdorf, Charlottenburg und Reinickendorf laufen eigene Insolvenzverfahren. Das Antiquariat an der Hardenbergstraße wird von einem neuen Betreiber bewirtschaftet, für die Friedrichstraße wird ein Nachmieter gesucht. Offen ist, wie es mit dem Standort Humboldt-Uni weitergeht.

Auch ihren Anteil an der Immobilie des Haupthauses an der Hardenbergstraße haben die sechs Kiepert-Gesellschafter inzwischen verkauft. Da es sich offenbar um Privateigentum handelt, wird der Erlös aber voraussichtlich nicht dem Firmenvermögen zugeschlagen.

Tobias Arbinger

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