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Furchtlos. Angelika Mann (links) als einfache Hausfrau und Inez Timmer als reich verheiratete, aber gelangweilte Ehefrau. Neben den beiden stehen auch Dagmar Hurtak-Beckmann und Susanne Eisenkolb auf der Bühne. Foto: dpa/Matthias Bak

© dpa

Berlin: Wenn Mutti wild wird

Erst im Fernsehen, jetzt auf der Bühne – die Wechseljahre werden showfähig Die Wühlmäuse zeigen das Hormonical „Heiße Zeiten“ mit Angelika Mann.

Auch das noch: Die Wühlmäuse am Theodor-Heuss-Platz, sonst ein verlässlicher Auftrittsort des durchweg männlich besetzten bundesrepublikanischen Kabaretts, zeigen eine Musikshow über – igitt – die Wechseljahre. „Heiße Zeiten“ heißt das „Hormonical“ über den schamhaft tabuisierten Fertilitätsknick der Frauen. Der wurde zwar in Amerika schon vor mehr als zehn Jahren durch das Musical „Menopause“ aus dem diskreten Dunkel gynäkologischer Praxen ins Rampenlicht gezerrt und in Deutschland vor zwei Jahren durch Doris Dörries schöne Gaga-Serie „Klimawechsel“ fernsehgerecht aufbereitet, war aber auf Berliner Bühnen bislang nur in Form von Comedy-Späßchen Thema. Ein völlige Unterspielung des in den vergangenen Jahren von mitleidigen Storys in der „Apotheken-Umschau“ zu heißen „Stern“-Geschichten mit dem Tenor „So sexy sind die Wechseljahre“ aufgestiegenen Klimakteriums. Gut, dass sich jetzt die 2010 in Essen uraufgeführte und seither in Deutschland, Österreich und Luxemburg erfolgreich getourte Produktion „Heiße Zeiten“ auch hier darum kümmert. Am heutigen Dienstag ist Berlin-Premiere.

Schon beim Probedurchlauf zeigt sich, dass den furchtlosen Frauen auf der Bühne bei ihrer Propaganda für die Wechseljahre jedes Mittel recht ist. Da stellt sich Dagmar Hurtak-Beckmann in ihrer Rolle der phänotypischen Karrierefrau hin und singt als Cover von Gloria Gaynors Durchhalte-Hymne „I will survive“ das Lied „Aktiv und reif“. Dicht gefolgt vom anderen Schwulendisco-Reißer „It’s raining men“, der hier auf „Jetzt oder nie“ umgedichtet ist. Und einer von Angelika Mann in der Rolle der „Hausfrau“ dargebotenen Solo-Nummer mit dem Titel „Ich freu mich auf die Wechseljahre“, vorher bekannt als „Show me the way to Amarillo“, ein alter Gassenhauer von Tony Christie.

Die von dem Berliner Viererteam Tilmann von Blomberg (Buch), Katja Wolff (Regie), Bärbel Arenz (Liedtexte) und Carsten Gerlitz (Arrangements) ausgeheckte Feel-Good-Geschichte um vier unterschiedliche Frauen-Stereotype spielt in einer spärlich möblierten Flughafenabflughalle, deren Anzeigetafel außer Flügen als Gimmick auch Infos über die Ladys und Begriffe wie Klimakterium anzeigt. Quasi die lexikalische Ergänzung zur gesungenen und getanzten Frauenpower. Die widmet sich neben der Selbstbefreiung und Depression auch den Hitzewallungen und der Inkontinenz.

„Ich hab ne Szene, da verknüddelt sich meine Einlage, die ist der Brüller“, freut sich Angelika Mann, die die kleinste, rundeste, älteste und bekannteste der vier Sängerinnen ist. Die im Osten ungemein populäre und bis jetzt als „Die Lütte“ bekannte Bluesrock-Sängerin kehrte der DDR schon 1985 frustriert den Rücken, überlebte Karriereknicke, kämpfte mit ihrer Figur und dem Finanzamt, lebt jetzt im Süden Berlins und konzertiert sonst bei „Jazz in Town“ in Köpenick, spielt ihr Soloprogramm oder Operette. „Ick bin ein zähet Luder“, sagt sie nach der Probe und wundert sich trotzdem laut, dass sie schon seit 43 Jahren auf der Bühne steht. „So klein und rund, wie ick bin.“ Angelika Mann ist 63, die Wechseljahre sind also schon etwas her. Was sie für sie bedeutet haben? „Gar nichts.“ Sie habe ihr erstes Kind mit 36 bekommen und mit Mitte 40 noch mal den Mann gewechselt. „Da war ich so beschäftigt, dass mir das gar nicht zu Bewusstsein kam.“ Dass das vielen Frauen anders geht, sei ein kulturelles Problem, findet Regisseurin Katja Wolff. „In Thailand werden die Frauen nach den Wechseljahren verehrt und nicht wie bei uns als alt und abgemeldet angesehen.“ Zum Glück ändert sich das ja nun, wenn die musikalische Aufmunterungsarbeit von „Heiße Zeiten“ anschlägt.

Wühlmäuse, Pommernallee 2–4, Charlottenburg, 3. Juli bis 19. August, Di–So 20 Uhr, 21–34 Euro

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