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Berlin: Wer hat das Sagen in Berlin? ROTES RATHAUS

Der Regierende ist nicht da – und andere sind sich nicht sicher

Einer muss der Chef sein in diesen heiklen Zeiten: Klaus Wowereit, keine Frage. Doch was passiert, wenn der Regierende Bürgermeister auf Dienstreise ist wie jetzt in Budapest? Wer leitet eventuelle Krisenstäbe, hält Fernsehreden und gibt offizielle Erklärungen ab? Der Bürgermeister, logisch. Aber es gibt ja zwei: Harald Wolf von der PDS und Karin Schubert von der SPD. Laut Koalitionsvertrag ist Wolf der erste Stellvertreter – aber hat der Senat diese Regelung bestätigt?

Eigentlich nein, sagt der stellvertretende Senatssprecher Kolodziej, man habe nur geregelt, dass das von Fall zu Fall entschieden werde. Ähnlich äußert sich Schuberts Justizverwaltung: Es habe keine spezielle Vereinbarung gegeben. Die Innenverwaltung bestätigt: Nein, keine Regelung. Seltsam: Sollte Wowereit niemandem den Auftrag gegeben haben, den Kurs der Stadt in seiner Abwesenheit zu bestimmen? Anruf bei Harald Wolf, dem viel versprechendsten Kandidaten: Hm. Das wisse er nicht, „da muss ich erstmal in meinen Terminen nachsehen.“ In den Terminen? Na, immerhin scheint geregelt zu sein, wer Wowereits absehbare Pflichten tragen muss. Aber was ist mit dem vorhersehbar Unvorhergesehen? Sollten wir uns die Alliierten zurückwünschen?

Ungefähr drei Stunden dauert es am Donnerstag, bis man per Analyse der Dienstpläne geklärt hat, wer gegenwärtig den Hut auf hat: Harald Wolf ist es. Ein kurioser Karrierehöhepunkt für den PDS-Mann, der im Ruf steht, den Berliner Haushaltsplan ebenso gut zu kennen wie die Marx-Engels-Gesamtausgabe, der lange gegen den Ruf kämpfen musste, keine Krawatte zu besitzen und immer wie Opposition und Regierung in Personalunion aussah. 1990 hat er die Alternative Liste verlassen, weil ihm missfiel, wie die Partei in der Koalition mit Walter Mompers SPD zu kurz kam; heute sieht er sich selbst dem Vorwurf ausgesetzt, die Regierungsbeteiligung als Selbstzweck zu betreiben. Westdeutscher in einer ostdeutsch geprägten Partei, nüchterner Denker mit trotzkistischer Vergangenheit, trockener Sozialwissenschaftler mit Hang zum ironischen Lächeln – es kommt einiges zusammen in der Person des ersten Berliner Stellvertreters. Gravierende Fehler hat er noch keine gemacht, sein Vorgänger Gregor Gysi wird im Senat entgegen allen Erwartungen nicht wirklich vermisst; es ist also denkbar, dass Wolf mit unerwarteten Krisensituationen auf seine sachliche Art gut fertig wird. Und am Sonnabend ist ja auch Klaus Wowereit wieder da. bm

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